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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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spielerisch die Brüste vor, und obwohl Wells in düsterer Stimmung war, fühlte er, wie sich in ihm etwas regte. Er stellte sich vor, wie sie mit ihrem schmalen, jungenhaften Körper den Berg hinunterzischte und ihr Pferdeschwanz im Fahrtwind wippte. »Sie waren wohl sehr überrascht, als sie herausfanden, dass du ein Mädchen warst.«
    »Meist fuhren wir nach Tahoe. Wir wählten die billige Variante, blieben in Motels und nahmen Sandwiches mit auf den Berg. Das war der größte Spaß, an den ich mich aus meiner Kindheit erinnern kann. Aber ich wollte immer, dass wir nach Utah fahren.« Sie strich mit der Hand über seinen Arm. »Mein Vater wollte nicht. Er sagte, dass wir nicht genug Geld hätten. Aber ich drängte so lange, bis wir schließlich, als ich zwölf war, nach Salt Lake City flogen. Mein Bruder, meine Mom, mein Dad und ich. Die ganze glückliche Familie. Auch wenn meine Mutter nicht oft Ski fuhr, kam sie immer mit.«
    »Sie hatte wohl Angst, ihn allein zu lassen«, sagte Wells. »Arme Exley.« Er küsste sie zart in den Nacken.
    »Viele haben einen Vater, der Alkoholiker ist.«
    Ja, aber du bist die eine Frau, die ich liebe, dachte er. Aber er sagte es nicht, auch wenn er nicht wusste, warum.
    Draußen verklangen die Sirenen. Wells ging zum Fenster und sah auf die Crown Victorias der CIA-Sicherheitswachen hinunter. Dann kehrte er zum Bett zurück. Exley hatte
sich inzwischen aufgesetzt und kokett die Beine unter den Leib gezogen.
    »Hörst du mir überhaupt zu, John?«
    Er legte die Hand auf ihr Knie.
    »Egal. Es schneite, als wir nach Utah kamen. Die ganze Nacht lang. Am nächsten Morgen fuhren wir nach Alta hinauf. Ich war so aufgeregt. Das beste Skigebiet der Welt. Wir kamen oben an, kauften unsere Tickets und stiegen in den Lift …«
    Als er seine Hand zwischen ihre Beine gleiten lassen wollte, presste sie sie fest zusammen.
    »Wir erreichten den Gipfel und fuhren hinunter.«
    »Du fährst nach unten Ski? Ist das die Geschichte? Und, wie war es?«
    »Großartig. Aber, weißt du, es war einfach Ski fahren, so wie in Tahoe. Bloß Ski fahren. Und ich musste ständig daran denken, dass wir dafür Geld ausgegeben hatten, das wir nicht besaßen, und dass wir nur meinetwegen dort waren und dass ich deshalb vollkommen begeistert sein müsste, statt dass es mir einfach nur gefiel. Irgendwie war ich enttäuscht, obwohl ich wusste, dass ich nicht enttäuscht sein sollte. Ich beschwerte mich auch nicht, denn es gab nichts, über das ich mich hätte beschweren können. Aber irgendwie fand es mein Vater heraus. Denn am Ende des Tages sagte er zu mir: ›Selbst Utah ist nicht Utah, richtig?‹« Sie schwieg einen Augenblick, ehe sie weitersprach. »Es gibt kein Allheilmittel. Niemand auf dieser Welt wird dir einen Vorwurf machen, weil du dich so mies fühlst nach allem, was du gesehen hast, und weil du Zeit brauchst, um wieder zu dir zu finden. Aber das … Das ist mir und dir selbst gegenüber nicht fair.«
    Er wusste, dass sie recht hatte. Und am liebsten hätte er
sie gefragt, wie lange er wohl noch davon träumen würde, dass er Menschen auseinanderriss, wie man einen Fisch ausweidete. Wie lange es noch dauerte, bis er wieder acht Stunden in einem Stück schlafen würde. Oder sechs. Oder vier. Wie lange es dauern würde, bis er über das sprechen konnte, was er gesehen hatte, ohne dass in ihm sofort der Wunsch hochstieg, den Raum zu verwüsten.
    »Du bist nicht verrückt, John«, sagte sie. »Du musst auch nicht mit mir sprechen, wenn du nicht willst. Immerhin gibt es Fachleute, die auf diese Art von Dingen spezialisiert sind.«
    »Seelenklempner?«
    »Fachleute.« Die Verzweiflung in ihrer Stimme beunruhigte Wells mehr als alles, was sie gesagt hatte, denn es zeigte ihm, wie schwer er ihr das Leben machte.
    »Ich komme schon wieder auf die Beine. Ich muss nur herausfinden, was ich als Nächstes tun will. Versprochen.« Er fühlte, wie er sich innerlich wieder verschloss. Gut so.
    »Du kannst auch mit mir sprechen, wenn du willst.«
    »Das will ich, aber nicht jetzt.« Stattdessen streckte er die Hand nach ihr aus. Zunächst stieß sie ihn weg, doch nur im ersten Moment. Dann dachten sie eine Weile nur aneinander.

3
    Die Küste Nordkoreas lag nur knapp zwei Kilometer vor ihnen. Beck hätte es kaum gemerkt, wäre da nicht die blaue Linie auf dem Laptopschirm gewesen, die die Küste markierte. Dicke graue Wolken verdeckten den Himmel, und auch durch sein Nachtsichtgerät konnte er weder Gebäude, noch Straßen,

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