John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Richtungen kamen, in der Hoffnung, das Schnellboot visuell auszumachen und mithilfe ihrer Jets in die Luft zu jagen.
Doch die Nordkoreaner wussten nicht, wie schnell dieses Boot war. Die Geometrie stand ihm zur Seite. Nur ein einziger feindlicher Kutter lag zwischen dem Phantom und der offenen See. Und mit jedem Kilometer, den das Schnellboot zurücklegte, vergrößerte sich das Suchgebiet, sodass es immer schwieriger wurde, sie zu finden. In fünfundvierzig Minuten wären sie in internationalen Gewässern, wo die F-16, die besten Babysitter der Welt, über sie wachten.
»Und sag ihm, dass er uns mit voller Geschwindigkeit geradewegs hinausbringen soll«, wies Beck Kang an. Am besten ließen sie die Gefahr so schnell wie möglich hinter sich. Die Geschwindigkeit würde sie retten. Nachdem Kang den Befehl an Choe weitergegeben hatte, flog das Phantom-Schnellboot mit fünfundsiebzig Knoten über das ruhige Meer, wobei es lange niedrige Schaumwellen hinter sich ließ. Trotz der Gefahr konnte Beck seine Bewunderung für das Boot nicht unterdrücken. Unter anderen Umständen wäre er gern mit einem Corona-Bier in der Hand neben Choe gesessen und hätte zugesehen, wie der Ozean an ihnen vorüberzog.
Aber nicht heute Nacht. Noch bevor das Schnellboot den feindlichen Kutter erreichte, musste es zwei weiteren Hindernissen ausweichen: zwei kleinen Inseln, die etwa acht Kilometer vor der Küste lagen und einen Kanal von knapp fünf Kilometern Breite bildeten. Den Satellitenaufnahmen zufolge befanden sich auf beiden Inseln Marinestützpunkte.
Während sich über ihnen die Wolken lichteten, kam der klare Nachthimmel mit heller Mondscheibe zum Vorschein. Das entsprach keineswegs Becks Wünschen. Er sah prüfend zu den beiden Inseln hinüber. Auf Changnin im Osten war
alles ruhig, sodass er sich einen Augenblick fragte, ob die Satelliten sich geirrt hatten. Dann erhellte im Westen eine Reihe von roten Leuchtkapseln die Nacht. Auch wenn die Kugeln das Schnellboot verfehlten, bedeuteten sie Schwierigkeiten. Wer auch immer auf der Insel war, er hatte gesehen, dass das Boot vorüberfuhr.
Während Changnin hinter ihnen verschwand, hörte Beck das ferne Heulen von Jetmotoren. »Wie nah?«, fragte er Kang.
»Mindestens fünf Minuten entfernt.«
»Und der Kutter?«
»Wir passieren ihn in etwa drei Minuten.«
»Wie nah?«
»Ungefähr eintausend Meter entfernt.«
Beck hätte den eigenen Kurs abändern können, um mehr Raum zwischen ihres und das feindliche Boot zu legen. Aber wenn zwei Boote nahezu geradlinig aufeinander zufuhren, passierten sie einander innerhalb weniger Sekunden, was dem feindlichen Boot kaum Gelegenheit bot, seine Geschütze auf das Schnellboot zu richten.
Sung hatte die Arme um den Leib geschlungen und kauerte sich auf der Bank in der Ecke zusammen. Seine Kleidung war durchnässt, und sein schwarzes Haar hob sich matt vom Schädel ab. Beck fragte sich, was mit ihm los war. Er sah nicht wie jemand aus, der eben dem schlimmsten Unterdrückungsregime der Welt entkommen war. Vielleicht fürchtete er, was nun mit seiner Familie geschehen würde. Der Akte zufolge war er verheiratet und hatte zwei halbwüchsige Söhne.
»Keine Sorge«, sagte Beck in stockendem Koreanisch, »Sie sind in Sicherheit.«
Sung stöhnte nur auf und schüttelte den Kopf. Beck
wandte sich an Kang. »Wir müssen herausfinden, was mit ihm los ist.«
»Im Augenblick haben wir größere Probleme«, sagte Kang. »Das Jagdflugzeug hält direkt auf uns zu.«
Durch die getönten Scheiben der Kabine sah Beck den nordkoreanischen Jet, dessen Betriebslichter in der Nacht blinkten. Das Jagdflugzeug bewegte sich in südsüdwestlicher Richtung, lag noch einige Kilometer hinter ihnen, holte aber auf, sodass das Heulen seiner Düsen von Sekunde zu Sekunde anschwoll.
»Entweder der Pilot kann hellsehen, oder sie haben ein neues Radarsystem gekauft, als wir gerade nicht hingesehen haben«, meinte Beck.
Der Jet ging in steile Schräglage, um einen guten Winkel zum Feuern zu finden.
»Er fliegt jetzt schon unter dreihundert Meter«, sagte Kang. »Zweihundertfünfzig … zweihundert …«
Das Jagdflugzeug besaß kurze stämmige Flügel, die hoch am Rumpf befestigt waren, und unter den Flügeln acht Raketenhalterungen. Es war eine russische Su-25, ein Einsitzer-Jet, der in den Achtzigerjahren gebaut worden war. Nach westlichem Standard war er längst überholt, aber immer noch tödlich.
Das Phantom-Schnellboot schaukelte, als die Su-25 heulend
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