John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
bezeichneten Mannes. Aber die Sekunden, die er voll Interesse durch das Fenster blickte, genügten für den Abenteurer, um in das Glas Wein John Workmanns einen der berüchtigten Knock-out-drops zu werfen. Das ist eine Pille, die von den Banditen der Großstädte gern angewandt wird, um ihr Opfer zu betäuben.
Als John Workmann wieder zu Johnston blickte, ergriff dieser sein Weinglas, erhob es und sagte:
»Stoßen wir beide darauf an, daß es uns genau so glückt, wie dem reichen Astor!«
Damit war John Workmann einverstanden. Mit dem vielen Geld in der Tasche glaubte er tatsächlich die erste Leitersprosse zum Millionär erklommen zu haben.
Er nahm das Glas, stieß mit William Johnston an und der sagte noch:
»Keinen Tropfen dürfen wir drin lassen, sonst haben wir Pech. Prost!«
Unter der zwingenden Wirkung dieser Worte trank John Workmann den Wein aus. Er schmeckte ihm allerdings etwas bitter. Doch da er nichts von Wein verstand, glaubte er, das müsse so sein, lehnte aber ein weiteres Glas, das ihm Johnston einschenken wollte, ab.
Während er ruhig von allen möglichen Dingen weiterplauderte, übte das Betäubungsmittel bei John Workmann mehr und mehr seine Wirkung aus. Vergebens kämpfte er gegen die ihn befallende bleierne Müdigkeit und dann – ohne noch etwas sagen zu können, sank er mit dem Kopf auf die Tischplatte und war in bewußtlosen Schlaf verfallen.
Ein spöttisches Lächeln huschte über das fahle Gesicht des jungen Abenteurers, als er sich jetzt zu John Workmann beugte und ihm mit einem schnellen Griff die Brieftasche aus der Jacke zog.
»Pah«, lachte er leise vor sich hin, »ein Greenhorn, ein Gimpel, dem ich, wie schon vielen anderen, eine gute Lehre gegeben habe. Er wird sich in Zukunft hüten, mit einem Fremden ohne weiteres ein Glas Wein zu trinken. He, Waiter!« – Der Kellner kam von der Bar, Johnston holte eine Handvoll loser Geldstücke aus der Tasche, bezahlte die Rechnung für sich und auch für sein Opfer und sagte:
»Mein Freund ist von dem Wein schläfrig geworden. Hier haben Sie ein Fünfzigcentstück extra. Lassen Sie ihn ruhig eine Stunde schlafen. Ich werde, wenn irgend möglich, da ich mit meinem Vater konferieren muß, in einer Stunde wieder zurück sein.«
Der Kellner verbeugte sich, bedankte sich für das hohe Trinkgeld, gab dem eleganten Banditen Überzieher, Hut und Stock, und ohne sich noch einmal nach John Workmann umzusehen, verschwand der gefährliche Desperado der Großstadt aus dem Restaurant.
Es begann bereits zu dunkeln, als John Workmann aus der tiefen Betäubung erwachte. Völlig verwirrt, einen eigentümlichen Druck im Kopf spürend, blickte er um sich und wußte zuerst nicht, wo er sich überhaupt befand. Dann dämmerte langsam das Bewußtsein bei ihm empor und er erinnerte sich, mit einem Fremden, den er sich nur noch unklar vorstellen konnte, aber dessen Namen er behalten hatte, hier in das Restaurant zum Mittagessen gegangen zu sein.
Er starrte auf den leeren Platz des Fremden und rief dann den Kellner, um ihn nach dem Verbleib seines neuen Bekannten zu fragen. Der Kellner schüttelte die Achseln und sagte:
»Der Gentleman hat das Diner bezahlt und sagte, er wolle in einer Stunde wiederkommen. Ich solle Sie nicht stören.«
»Habe ich so fest geschlafen, daß ich nichts gehört habe?«
»Muß wohl so sein, Sir, der Gentleman sagte mir, daß Sie fest schliefen und ich solle sie nicht stören. Hoffentlich haben Sie jetzt ausgeschlafen!«
Der Kellner entfernte sich und John Workmann überlegte, was er nun anfangen solle. Noch hatte er nichts von dem Verlust seiner Brieftasche gemerkt. In einer Stunde, sagte der Kellner, wolle sein neuer Freund wiederkommen. Ob er tatsächlich auf ihn wartete? – Soviel er sich erinnerte, mußte es der Sohn eines reichen Vaters sein. Er sprach ja wohl davon, daß sein Vater einer der größten Bankiers von Chikago war.
Beim Wort Bankier dachte er an sein Geld. Unwillkürlich faßte er nach der Rocktasche – und tastend, zitternd, prüfend, suchend fuhren seine Finger unter das Jackett – sämtliche Knöpfe riß er auf, zog das Futter der Innentaschen heraus, wurde aschfahl im Gesicht. – Die Brieftasche war fort.
Wie ein Irrsinniger begann er sein ganzes Jackett nochmals nach der Brieftasche zu durchsuchen. Dann bückte er sich, blickte unter den Tisch, unter den Stuhl, auf dem er saß, eine Stecknadel hätte er auf dem Fußboden entdeckt, aber von seiner Brieftasche war nichts zu sehen. Mit einem tiefen
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