John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
ich Sie belästigt habe. Es geschah unabsichtlich durch eine Handbewegung nach meiner Brieftasche. Ich habe soeben von der Bank Geld abgehoben und wollte mich überzeugen, ob es sicher verwahrt sei. Übrigens – mein Name ist Johnston – William Johnston aus Frisko – Sie erinnern sich, daß ich nach Ihnen an den Kassenschalter trat. Ich sah auch, daß Sie Geld empfingen. Seien Sie äußerst vorsichtig an diesem vermaledeiten Platz. In Chikago ist kein Dollar in der Tasche sicher.«
Diese Worte verscheuchten jegliches Mißtrauen bei John Workmann. Da stand ein junger Mann vor ihm, elegant gekleidet, mit einem anscheinend offenen Gesicht, der ihm zur Vorsicht mit seinem Gelde riet, und zwar, weil er dieselbe Besorgnis hegte, wie John Workmann.
»Sie haben ganz recht«, erwiderte John Workmann, »dieselbe Furcht, die Sie für Ihr Geld hegen, spüre ich auch. Aber ich denke, wenn man genügend aufpaßt, kann einem so leicht nichts geschehen.«
Sie waren die Straße von der Bank ein Stück hinunter gegangen und der junge Mann sagte jetzt:
»Ich nehme an, daß Sie in Chikago fremd sind.«
»Allerdings«, sagte John Workmann. »Ich bin zum erstenmal hier. Ich war stets neugierig, Chikago kennenzulernen. Das, was ich bis jetzt sehe, unterscheidet sich aber nicht von New York.«
»Sie haben recht, Sir. Die Städte ähneln sich. Höchstens, daß unsere Schlachthöfe, unsere Packinghouses, eine besondere Sehenswürdigkeit von Chikago bilden. Aber wirklich keine beachtenswerte. Ausgenommen, man hat Interesse für möglichst viel Schmutz und Blut. Falls es Ihnen recht ist, gehen wir zusammen essen und plaudern noch etwas. Ich treffe meinen Vater, der Bankier in Chikago ist, erst nach seiner Geschäftszeit. Wenn ich fragen darf, wo kommen Sie her?« Er schnitt damit John Workmann jede weitere Erwiderung ab, und der war auch zu arglos, um irgend etwas hinter den anscheinend völlig harmlosen Worten des Fremden zu suchen.
»Ich komme eben aus dem Westen, wo ich auf einer Farm gearbeitet habe. Ansässig bin ich in New York.«
»Wollen Sie mir nicht Ihren Namen nennen, Sir?«
»Entschuldigen Sie«, erwiderte John Workmann, »ich war in Gedanken. Sie wissen, die Sorge um das Geld, welches man bei sich trägt. Mein Name ist John Workmann.«
»Workmann – Workmann?« – der junge Mensch blickte nachdenklich vor sich hin. Irgendwo mußte ihm der Name aufgefallen sein. Er war ein eifriger Zeitungsleser. Dabei mußte er den Namen John Workmann gelesen haben. Und jetzt erinnerte er sich.
»Sind Sie derselbe John Workmann, durch den vor einigen Monaten bei einem Präriebrand ein gewisser Bill Smith, ein Bandit aus dem Westen, noch ein junger Boy, gefaßt wurde, und zwar mit dem Gelde, das er geraubt hatte?«
»Ich fand Bill Smith.«
»Alle Wetter! Das ist interessant, Mister Workmann. Ich habe den Artikel gelesen. Er stand im ›New York Herald‹. Da haben Sie Glück gehabt, und soviel ich mich erinnere, waren zweitausend Dollar Prämie auf die Ergreifung von Bill Smith ausgesetzt.«
»Ganz recht«, sagte John Workmann, »und das Geld, das ich soeben abgehoben habe, enthält zu einem Teil die mir ausgezahlte Prämie.«
»Eine Menge Geld, Sir – damit können Sie Millionär werden, wenn Sie es richtig anfassen. Kenne genügend Leute, die nach Chikago mit der Hälfte von dem Gelde kamen und es durch geschickte Anlage dazu brachten, in kurzer Zeit reich zu werden. – Wollen wir nicht hier in dieses Restaurant gehen? Ich kenne es – ich esse hier öfter zu Mittag.«
John Workmann folgte William Johnston. Bald saßen beide in dem kleinen italienischen Restaurant an einem Tisch und aßen. Obwohl John Workmann keinen Alkohol trank, hatte ihm der Fremde ein Glas Wein aufgenötigt und stieß auf die neue Freundschaft an.
John Workmann achtete gar nicht darauf, daß das Restaurant ziemlich leer von Gästen und anscheinend wenig besucht war. Niemand kümmerte sich um sie, und John Workmann hörte mit Interesse auf die Erzählungen, die sein neuer Bekannter über Chikago zum besten gab. Einmal, mitten im Gespräch, zeigte Johnston zum Fenster und sagte: »Sehen Sie einmal dort hinaus. Der Mann, der da geht, so unscheinbar er auch gekleidet ist, ist Astor – einer der reichsten Leute Amerikas. Hat einmal mit nichts in der Tasche angefangen und macht heute mit Schweineschmalz und Schinken das große Geschäft der Welt.«
John Workmann wandte den Kopf zum Fenster und blickte hinaus. Er sah nur noch den Rücken des von Johnston
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