John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
Reichlich der halbe Tag ging über dem Einwaggonieren von 595 Rindern dahin. Der Zug hatte ein halbes Dutzend Cattlemen mitgebracht. Es waren berufsmäßige Viehfütterer, welche die Herden der Farmen auf den verschiedenen Bahnstationen des Landes in Empfang zu nehmen und bis zum Bestimmungsort zu füttern, tränken und beaufsichtigen hatten. Sobald ein Waggon gefüllt und durch ein eisernes Gitter geschlossen war, gingen die Cattlemen an ihre Arbeit. Aus einem der Beiwagen schafften sie Heu herbei, das hydraulisch zu Ballen gepreßt war. John Workmann war sofort auf eine schriftliche Mitteilung von Mr. Clarke zu den Cattlemen übergetreten und lernte die neue Arbeit kennen. Mit Kneifzangen mußten die schweren Drähte, welche die Heuballen zusammenhielten, aufgekniffen und sorgfältig entfernt werden. Blieb ein Stück Draht im Heu, so wurde es vom Rindvieh mitgefressen, und das gab natürlich Todesfälle. Weiter mußte das hart und dicht wie Holz zusammengepreßte Heu mit Handbeilen gelockert werden. Und schließlich genügte es nicht, den Tieren das Heu hinzuwerfen, sondern sie mußten auch ausgiebig getränkt werden. Auf der sechstägigen Reise durch die Prärie hatte es nur einmal eine Trinkstelle gegeben. Aber dafür hatten die Tiere dort das saftige, frische Gras. Jetzt brauchten sie den Tag zu ihrem Heufutter zweimal kräftige Tränkung. John Workmann fand, daß seine Hände sehr schnell in einen beklagenswerten Zustand gerieten. Das hydraulisch gepreßte Heu enthielt große Mengen einer Distel, die sicherlich für Rindergaumen sehr wohlschmeckend sein mochte, die aber Menschenhände mit einer Unzahl feiner Stacheln spickte. Und er fand weiter, daß das Heranschleppen von unzähligen Eimern Wasser reichlich anstrengend und eintönig wäre. Noch bevor der Zug sich in Bewegung setzte, stand es bei ihm fest, daß seine cattlemanship nur von Springshill bis Chikago dauern würde.
Dann kam der Abschied von Jay Williams. Hüteschwenkend galoppierten die Cowboys in der Richtung auf Manituba Farm in die Prärie. Die Lokomotive pfiff, als ob sie einen Toten erwecken wollte, und ächzend und stoßend kam der lange Zug in Bewegung. Jetzt rollte er auf das Hauptgleis und nun begannen die Telegrafenstangen schneller und immer schneller vorbeizuhuschen.
John Workmann saß auf einem offenen Heuwagen am Ende des Zuges und sah den roten Sonnenball auf der endlosen Prärie langsam untergehen. Sein Nachbar war ein älterer Mann, ein Ire, wie er erzählte. Seit mehr als zwanzig Jahren fuhr er als Cattleman für Armour & Co. in Chikago und holte die Herden, immer aus dem Westen, manchmal sogar aus Utah oder Kalifornien. John Workmann wunderte sich im stillen, daß ein Mensch jahraus, jahrein die eintönigste, stumpfsinnigste Arbeit, die sich denken läßt, verrichtete und mit seinem Schicksal zufrieden war.
Am Morgen des dritten Tages fuhr der Zug in Chikago ein. Unter vielem Pfeifen, Anhalten und Wiederanfahren suchte er sich einen Weg durch das endlose Gewirr des großen Güterbahnhofes. Dann bog er auf Nebengeleise ab und erreichte nach zehn Minuten einen riesigen Gebäudekomplex. »Armour and Company« hob sich die Firma in riesigen goldenen Luftbuchstaben vom Himmel ab. Der Zug war an seinem Ziel und der letzte Akt des Dramas für die Rinderherde begann.
18. Kapitel
Im großen Saal der First-National-Saving-Bank von Chikago drängten und stießen sich die Leute an den Schaltern. Das strömte, ging und kam von allen Seiten, und es dauerte geraume Zeit, bis John Workmann in diesem Strom zum Auszahlungsschalter gelangte, um seinen Scheck vorlegen zu können. Aber so lange das Herankommen gedauert hatte, so kurze Zeit nahm das Auszahlen in Anspruch. Nur einen Blick warf der Kassierer auf den Scheck, ohne John Workmann überhaupt anzusehen. Dann griff er in eine neben ihm stehende Kasse mit verschiedenen Fächern und sofort lagen zwei Tausenddollarnoten, sechs Hundertdollarnoten und der Rest kleinere Noten auf dem Drehbrett und wanderten unter dem Drahtfenster hindurch zu John Workmann. Schon wurde er von dem Strom der Nachdrängenden weitergeschoben. Kaum konnte er das Geld flüchtig in der Brusttasche bergen. Dann trieb ihn die Menschenflut weiter dem Ausgang entgegen. Durch spiegelnde Türen mit blanken Messinggriffen schritt er die breite Treppe hinab.
Als John Workmann die Bank verließ, das Jackett fest zugeknöpft, stieß ihn ein junger Mensch anscheinend unabsichtlich von der Seite an.
»Entschuldigen Sie, Sir, daß
Weitere Kostenlose Bücher