JoJo Und Ich
Nähe des Anlegers, dann schwimmt er nur zum Hummerversteck hin und schaut hinein. Ich weiß genau, dass er das Signal versteht, aber oft hat er keine Lust, darauf einzugehen. Doch das gehört wohl auch zu seinen bereits beschriebenen Verhaltenszyklen. Anfangs dachte ich bei seinen erstaunlichen Benehmen immer erst einmal an Zufall, bis mir dann auffiel, dass diese Zufälle einfach zu häufig auftraten. Er ließ sich eher auf neue und noch nicht eingespielte Gedanken und Erwartungen und damit verbundenes Verhalten ein als auf bereits eingeübte Signale und Abläufe. Die Initiative musste von ihm kommen, und viel hing davon ab, wie er gerade aufgelegt war. Wenn ich mich ihm ohne bestimmte Absichten nähere, einfach spielbereit, kann es zu den unglaublichsten Überraschungen kommen. Es ist dann so, als könnte er meine Gedanken lesen, wir sind keine verschiedenen Arten mehr, die nur mutmaßen können, was im anderen gerade vorgeht – wir sind dann ein Geist auf derselben Gedankenwelle.
A us der S icht eines D elfins
S eit unserem nächtlichen Abenteuer außerhalb des schützenden Riffrings fasste JoJo immer mehr Vertrauen zu mir; das berührte mich, bedeutete mir viel – und ich hoffte, dass ihm unsere Freundschaft genauso viel bedeutete. Ich wunderte mich immer noch darüber, dass dieser Delfin gerade mich ausgesucht hatte. Ich nahm unsere Beziehung sehr ernst, ernster vielleicht sogar als den Umgang mit vielen meiner Mitmenschen.
Es war einer jener Tage, an denen JoJo am Nachmittag um fünf Uhr auftauchte. Als ich mich ins Wasser stürzte und anfing zu schwimmen, drehte er sich nach rechts, kreuzte meine Bahn unmittelbar vor mir und zeigte mir seine linke Körperseite.
»JoJo, nein«, stöhnte ich auf, als ich drei tiefe Einschnitte sah, die sich mit jeder Bewegung seiner Brustflosse öffneten und schlossen. »Was ist geschehen? Kannst du damit überhaupt schwimmen? Ich kümmere mich darum, ich bringe das in Ordnung, versprochen.«
Antworten konnte er mir darauf natürlich nicht, aber er hielt sich rechts neben mir und schwamm mit langsamen, unbeholfenen Bewegungen weiter. Rechts von mir zu schwimmen war für ihn bestimmt beschwerlich, weil dadurch mit jeder meiner Bewegungen Wasser in seine Wunden gespült wurde. Schließlich wechselte er dann auch auf die andere Seite und achtete darauf, mir nicht zu nahe zu kommen. Ich hätte mir seine Verletzungen gern näher angesehen, das war jetzt aber kaum mehr möglich. Irgendwie erinnerte er mich an ein Kind, das Mami seine Wunden zeigen möchte – nur berühren soll sie sie nicht. Sobald JoJo den Eindruck zu bekommen schien, dass ich mich nicht genügend um die Verletzungen kümmerte, schwamm er so durch mein Blickfeld, dass ich sie sehen musste . Ich schloss dann kurz die Augen und betete um Heilung. Meine gesamte Energie konzentrierte ich darauf.
Die Wunden sahen so aus, als wären sie von einer Bootsschraube geschlagen worden – aber vielleicht gab es noch andere Möglichkeiten. Welches von all den Booten hier mochte es gewesen sein? Ich hatte JoJo am Vortag gesehen und nahm an, dass der Unfall wahrscheinlich hier in der Bucht passiert sein musste. Gab es noch andere scharfe Kanten, die solche Wunden verursachen konnten? Ich musste unbedingt etwas gegen diese ständigen Verletzungen unternehmen! Mein Freund würde das Jahr nicht überstehen, wenn er weiterhin so zugerichtet wurde.
»Ich komme schon noch dahinter, JoJo, warte nur ab«, rief ich ihm nach, als er mit eckig wirkenden Bewegungen davonschwamm, hoffentlich zu einem ruhigen Ort, an dem er vor Haien geschützt war. »Ich werde so oft wie möglich kommen und nach dir sehen.«
Zuerst war jetzt für JoJos Sicherheit und Genesung zu sorgen. Außerdem musste ich die Leute von JoJos erneutem Unfall unterrichten. Und drittens brauchte ich einen Plan für den Fall, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtern sollte.
Ich überlegte weiter, wodurch JoJos Verletzung entstanden sein mochte. Ob es vielleicht Korallen waren? Der Fangrechen an einem Boot? Wasserski? Stand womöglich am Rumpf irgendeines Segelboots etwas Scharfes vor? Ich watete an Land, ging den Strand ab und sah mir die Boote an, die an Stegen oder Bojen vertäut waren. Da ich die Unterseite der meisten Boote kannte, wusste ich ziemlich genau, welche ich mir genauer ansehen musste.
Mit Maske und Schnorchel in der Hand und großem Zorn im Herzen stapfte ich durch den weichen Sand. Diese Verletzungen mussten aufhören, zum Donnerwetter! Mein
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