JoJo Und Ich
er immer wieder an meinen Flossen gezupft.
Und schon als es sich die Gruppe im Sand um die Krabbenkorallen bequem machte, erging sich JoJo in allerlei aufgeregten Lautäußerungen. Immer wenn ich eine Krabbe hatte, konnte ich damit rechnen, dass JoJo mir still abwartend über die Schulter blickte, bis ich sie absetzte. Diesmal aber kam er sofort pfeifend und schnalzend näher und wollte die Krabbe schon festnageln, als sie noch mit einem Bein Halt in ihrem Unterschlupf hatte. Die Schere fuhr herum, und legte sich blitzartig um JoJos Schnabelspitze.
Vor Schreck riss der Delfin die Augen weit auf und begann wie wild den Kopf zu schütteln, doch damit wurde er die Krab be nicht los. Dann raste er wie angestochen davon, aber auch die schiere Geschwindigkeit erbrachte nicht das gewünschte Ergebnis. Infrage kamen jetzt nur noch äußerst energische Maßnahmen.
Schon am nächsten Felsen wurde die Krabbe von ihrem Schicksal ereilt. JoJo umrundete die Stelle mehrmals mit hoher Geschwindigkeit und schlug die Krabbe dabei immer wieder gezielt auf den Stein; und plötzlich sah man das arme Tierchen über den Meeresboden humpeln – ohne seine Schere. Die hing nach wie vor wie eine riesige Wäscheklammer an JoJos Schnabel. Hilfe suchend und offensichtlich ziemlich entsetzt kam er auf mich zu. Wir schwammen zur Oberfläche, wo ich ihn schmunzelnd »operieren« konnte.
»Jetzt kapierst du vielleicht, dass du deine Nase nicht in alles stecken musst.«
Meine Tauchschüler lachten blubbernd über das entsetzte Schnattern, das JoJo angestimmt hatte, als ihn die große Schere packte. Die Krabbe hatte inzwischen wieder Deckung gesucht, auf ihre wie verwaist daliegende Schere aber schimpfte JoJo immer noch ein.
Wir tauchten alle wieder ab, und JoJo war gleich wieder bei der Korallenbank, gab hohe Summtöne von sich und klappte das Maul auf und zu. Er schlängelte hin und her und auf und ab, schickte seine Ortungslaute in alle Ritzen, um weitere Krab ben aufzuscheuchen. Dann blieb er vor mir stehen und fixierte mich, bevor er weiterzwitscherte. »Ich weiß schon, was du willst, JoJo«, sagte ich. »Aber reicht es dir denn nicht für heute, brauchst du wirklich noch eine Runde?«
Mir stand überhaupt nicht der Sinn danach, eine weitere Krabbe aus ihrem Versteck zu holen, aber genau das wollte JoJo offenbar. Seine Gebärden und Laute waren so eindeutig, dass vier meiner sechs Tauchschüler ebenfalls für eine zusätzliche Vorführung votierten. Aber nein, ich ließ die Tierchen in Ruhe, vielleicht hätte JoJo das nächste ungespitzt in den Boden gerammt. Oder die Krabbe hätte ihm ein Stückchen aus seinem Schnabel herausgezwackt. JoJos Kampfgeist war ungebrochen, und vielleicht tat es ihm, wie uns allen, ganz gut, zu lernen, dass ein verlorenes Match keine Schande ist.
Im Übrigen änderte sich JoJos Verhältnis zu den Spinnenkrabben danach erheblich. Sein Interesse wurde etwas distanzierter, nach wie vor aber stöbert er sie gern aus ihren Verstecken. Wenn ich heute eine Krabbe zur Vorführung auf den Boden setze, bleibt JoJo außerhalb des unmittelbaren Aktionsradius dieses Krustentieres – was natürlich besonders für die große Beißzange gilt. Er spürt die Tierchen auf und pirscht ihnen nach, wenn er sie irgendwo ungeschützt antrifft, aber den Druck auf den Rückenpanzer, mit dem er sie früher immer festnagelte, übt er heute nicht mehr aus. Man kann ihm das Tier hinhalten, so viel man will, für Kontakte dieser Art ist er nicht mehr zu haben. Meiner Einschätzung nach ist ihm da etwas in Erinnerung geblieben, er reift und lernt – und vielleicht wächst auch sein Respekt gegenüber den anderen Bewohnern des Meeres.
Und diese Verständnisbereitschaft umfasst immer mehr Spezies.
Der Homo sapiens aber stellte andere Erwartungen an JoJo, und diese hatten so gut wie immer etwas mit den Verhaltensweisen zu tun, die an Delfinen beobachtet worden waren, die in Gefangenschaft lebten. Nur zu gern hätte man ihn irgendwelche antrainierten Kunststückchen präsentieren sehen.
»JoJo ist ein wilder Meeressäuger, der führt überhaupt nichts vor«, erklärte ich meinen Schülern. »Doch wenn ihr ihn genau beobachtet, werdet ihr feststellen, dass er viel mehr ›kann‹ als jeder Delfin im Aquarium.«
An der Stelle, an der ich immer den Einführungsunterricht für Anfänger erteilte, wohnte in einer Spalte unter dem Anleger ein Hummer, den ich JoJo und den Teilnehmern auch jedes Mal zeigte. Dabei legte ich die Zeigefinger wie
Weitere Kostenlose Bücher