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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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begegnet, aber der Blick, den er ihr auf der
Versammlung der Kapitäne zugeworfen hatte, ging ihr nicht
aus dem Kopf. Sie wusste, was ihr drohte, wenn der Tag der
Abrechnung gekommen war.
    Erschöpft gesellte sie sich zu Moïse Vauquelin, Michel Le
Basque, Bigford und Pierre. Ihre Gesichter waren verbrannt
von den langen Tagen auf See und spiegelten ihre
Anstrengungen wider.
    »Habt Dank für Eure eigenmächtige Entscheidung, Du Puits«,
empfing sie der Baske.
    »Aye! Meine Männer sind unleidlich. Ich hoffe, sie finden
vor der Dämmerung ausreichend Vorräte. Nur Gott allein weiß,
was den Olonnaisen antreibt«, sagte Moïse Vauquelin und
überging bewusst die Ironie des Basken. »Er scheint von
Sinnen. Erst die zeitraubende Meuchelei auf Kuba, dann sein
Ausharren in der Windstille. Was hat er vor?«
    »Er hat wieder einmal Blut geleckt.« Michel Le Basque
schirmte die Augen ab, um den Küstenabschnitt zu
überblicken, an dem sie an Land gegangen waren. »Wir können
nicht länger auf seine Befehle warten. Wenn die Männer bei
Kräften sind, sollten wir die Küste plündern. Die Strömung
ist auf unserer Seite und wird uns direkt in den Golf von
Honduras treiben. Was haben wir zu verlieren? Vielleicht
gelingt uns dort die eine oder andere Prise.«
    Die Kapitäne überlegten. Jacquottes Augen fanden die von
Pierre. Sie stellte fest, dass sie ihn vermisst hatte.
    »Es gibt einen Hafen im Golf, Puerto Caballo. Die Spanier
deponieren in den dortigen Lagerhäusern ihre Waren vom
Binnenland, bis sie abgeholt werden«, sagte er.
    »Seht her! Pierre Le Picard, der Kenner der Spanier.
Vortrefflich.« Der Baske nickte und wandte sich an
Jacquotte. »Was meint Ihr dazu, Du Puits? Folgt Ihr Kapitän
L’Olonnais so ergeben wie einst, oder hat das eigene Schiff
Eure Treue geschmälert?«
    Sie sah ihn herausfordernd an, ohne etwas zu erwidern.
    »D’Ogeron erwartet von uns, dass wir reichlich Beute
machen. Wir gaben ihm alle unser Wort für diese Fahrt«,
versuchte Moïse Vauquelin zu vermitteln. »Solange wir außer
Sichtweite von L’Olonnais sind, entscheiden wir gemeinsam,
was zu tun ist. Doch wenn wir auf unseren Anführer treffen,
stehen wir unter seinem Kommando.«
    Die Männer nickten, und der Baske warf sich in die Brust.
Jacquotte erkannte, dass er nur darauf lauerte, die Fehler
des Olonnaisen zu seinem Vorteil zu nutzen. Aber niemandem
war die Gefahr, in der sie sich alle befanden, deutlicher
bewusst als ihr. L’Olonnais war außer Kontrolle. Sie war
sich sicher, dass er bereits von ihrem Tod träumte. Trotzdem
war sie noch immer davon überzeugt, dass sie ihren Feind auf
dieser Kaperfahrt am besten im Auge behalten konnte. Die
Anwesenheit der anderen Kapitäne bot ihr einen gewissen
Schutz, auch wenn sie selber nur zu gut wusste, wie
trügerisch er war.
    Als die Dämmerung hereinbrach, kehrten die ersten Männer
mit Unmengen an spanischem Weizen, Schweinen und Truthühnern
zurück. Sie hatten Indianerbehausungen geplündert und alles
mitgehen lassen, dessen sie habhaft werden konnten. Im
Dunkel der Nacht labten sich die ausgezehrten Mannschaften
an den erbeuteten Nahrungsmitteln und schafften die
Überreste auf die Schiffe. Jacquotte beobachtete sie dabei,
während sie an einen Baum gelehnt die Reste eines gebratenen
Hühnerflügels verspeiste.
    »Denkst du immer noch, du tust das Richtige?«, fragte
Pierre. Sie drehte sich nicht zu ihm um. Er hatte sich auf
der gegenüberliegenden Seite des Baumstammes niedergelassen.
Sie hatte seine Schritte gehört.
    »Ich mag vieles getan haben, was dir töricht vorkommt,
doch die Zeiten des Versteckspiels sind vorüber.«
    »Ist das der Grund, weshalb du deine Haare wachsen lässt?«
    Jacquotte lächelte. Pierre war der Einzige, dem es
aufgefallen war. Noch erkannte man das charakteristische Rot
nicht, weil die Sonne die kurzen Härchen bleichte, aber bald
würden sich vermutlich auch andere fragen, welche
Veränderung bei Antoine Du Puits eingesetzt hatte.
    »Bevor mich Bigford fand, war ich gerade dabei,
Vorbereitungen für meinen Aufbruch zu treffen. Ich wollte
mich vor dem Auslaufen nach Tortue davonmachen.«
    »Du hattest nicht vor, dich zu verabschieden.« Es war eine
Feststellung.
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf, obwohl er es nicht sehen
konnte. »Ich glaubte, es sei besser so.«
    Pierre erwiderte nichts darauf, aber Jacquotte spürte
seine Enttäuschung.
    »Seit ich Tierra Grande verlassen habe, habe ich

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