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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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Tatsache, die
Jacquotte mit ihnen teilte. Sie fuhr sich mit der Hand durch
die kurzen Haare und wartete darauf, dass ihre Männer den
Anker warfen. Ihr Erscheinungsbild hatte sich verändert. Der
jahrelang gepflegte Schmutz war verschwunden und das
Leintuch, das ihre Brüste abgeschnürt hatte, durchschnitten.
Sie brauchte niemandem mehr etwas vorzumachen.
    Die Ahnung, dass ihr Kapitän eine Frau war, hatte sich
langsam, aber beständig in der inzwischen nur noch zwanzig
Mann starken Mannschaft herumgesprochen, gefolgt von ersten
Vermutungen, dass die rote Jacquotte dem Tod entronnen sei.
Ihr treuer Gefährte Pierre Le Picard stand ihr als Maat zur
Seite und die Brüder waren seitdem guten Mutes, dass sie
nicht in den Untergang segelten. Wer, wenn nicht die rote
Jacquotte, konnte sie vor dem sicheren Tod bewahren?
    »Ich denke, er hat bemerkt, dass ihm der Rumpf voll Wasser
läuft, und wollte hier Schutz suchen. Offensichtlich war er
derart unvorbereitet, dass ihm entgangen ist, welchen
Tiefgang sein Schiff hat. Ansonsten wäre er wohl kaum auf
das Riff gelaufen. Ich frage mich, ob er sich noch in der
Nähe aufhält.« Pierre suchte die Küste mit dem Fernrohr ab.
    »Sehen wir nach!« Jacquotte stemmte die Hände in die
Hüften.
    »Aye! Du wirst diesen Kampf jetzt zu Ende bringen, denn
ich werde keinen Tag länger unter deinem Kommando segeln!«
Seine Stimme klang ernster als seine Worte vermuten ließen.
Sie warf ihm einen Blick zu.
    »Du erinnerst dich an dein Versprechen?«
    Pierre nickte. »Aye. Doch wenn wir das überleben, dann
schuldest du mir etwas.«
    Sie lächelte und fragte sich, ob sie dasselbe meinten.
    Als die Beiboote auf das Festland zuhielten, zückten alle
Männer ihre Pistolen. Keinem war klar, welchen Empfang
L’Olonnais ihnen bereiten würde. Misstrauisch versuchten sie
durch das uneinsehbare Dickicht der Pflanzen zu spähen, die
mit ihren ledrigen Blättern und langen Wurzeln eine Barriere
ins Landesinnere darstellten. Einige Flibustier glitten ins
Wasser, um mit ihren Macheten den Weg für die Boote
freizuschlagen, während die anderen auf unsichtbare Feinde
zielten. Als sie sich endlich an die stark bewaldete Küste
durchgekämpft hatten, waren blutrünstige
maringouins
die
Einzigen, die ihre Ankunft feierten.
    Pierre spuckte aus. »Es sieht nicht danach aus, als ob in
den letzten Tagen jemand einen Fuß an diesen Teil des Ufers
gesetzt hätte!«
    Sie sahen sich um. Hohe Tierstimmen kreischten in den
Baumwipfeln, und huschende Schatten kündeten von einem
reichen Leben in den Wäldern dieser unbekannten Küste.
Jacquotte wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »
Alors
!«, rief sie. »Ziehen wir los und kundschaften die
Gegend aus! Vor Einbruch der Nacht treffen wir uns an dieser
Stelle wieder.«
    Widerspruchslos zerstreuten sich die Männer. Während sich
Jacquotte und Pierre entlang der Sümpfe davonmachten,
schwärmte der Rest der Mannschaft in nördlicher und
östlicher Richtung aus. Innerhalb kurzer Zeit wurden ihre
Stimmen von den Lauten des Waldes verschluckt. Es drang kaum
Licht durch die Baumkronen, und man musste sich vor dem
stark bewurzelten Boden hüten. Seltsame Tiere mit dichtem
Fell, endlosen Armen und langen Krallen hingen in den
Baumriesen und beobachteten die Fremden mit schwarzen
Knopfaugen, während unter Strauchgewächsen und in morschen
Stämmen unbekanntes Getier ruhte, das aussah, als würden es
einen grauen Panzer tragen. Jacquotte lauschte auf jedes
Geräusch, registrierte jede Erschütterung und bewegte sich
beinahe lautlos durch den lebendigen Wald. Immer weiter
entfernten sie sich vom Meer und tauchten in die fremdartige
Welt ein, die sich ihnen offenbarte, verfolgt von
neugierigen Äffchen mit rotbrauner Brust, weißen Gliedmaßen
und langen schwarzen Schwänzen, die über ihren Köpfen von
Ast zu Ast sprangen.
    »Fußspuren«, flüsterte Jacquotte nach einer Weile und
drehte sich zu Pierre um, der ihr in einigem Abstand folgte.
    Er hielt inne, seine Nasenflügel blähten sich. Sachte hob
er einen Finger an die Lippen und bedeutete ihr, sich ruhig
zu verhalten. Ein Knacken im Unterholz ließ sie zu den
Waffen greifen, und sie verharrten reglos. Fliegen tanzten
in den Sonnenstrahlen, die es durch das Blätterdach
schafften. Jacquotte lauschte. Nach kurzer Zeit nickte sie
Pierre zu. Stimmen! Sie gaben sich Handzeichen und pirschten
an die Geräuschquelle heran. Es dauerte nicht lange und sie

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