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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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ein Lächeln entrang, wie Entchen auf dem Vorleger den Mund öffnete und schloss, wie das Wasser aus dem Holzschuppen sich zu einer kleinen Pfütze sammelte. Robin war weich und warm. Sie macht mich manchmal rasend, aber sie gibt sich Mühe.
    »Robin«, fragte ich, »sah Mutter aus wie wir? War sie eine Heidin?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Robin. »Ich erinnere mich nur undeutlich. Ich glaube, sie hatte das gleiche Haar wie wir, aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Ich weiß es einfach nicht mehr. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, wie sie mir das Weben beigebracht hat.«
    Es erstaunt mich noch immer, dass Robin sich nicht erinnern konnte. Als unsere Mutter starb, war sie fast acht. Ich war viel kleiner, als Robin mich das Weben lehrte, und ich erinnere mich ganz genau. Ich weiß noch, dass sie nicht für alle Wörter ein Muster kannte und wir beide deshalb eine erkleckliche Anzahl neu erfinden mussten. Ich bin mir nicht sicher, ob außerhalb unserer Familie jemand viel von dem entziffern kann, was ich hier webe – auch von denen, die Gewebtes überhaupt lesen können. Für alle anderen wird meine Geschichte wie ein besonders fein gearbeiteter, außergewöhnlicher Wollmantel aussehen. Doch webe ich ihn sowieso nur für mich selbst. Ich werde unsere Reise besser begreifen, wenn ich sie erst vor mir selbst zur Gänze dargelegt habe. Das Dumme ist nur, dass ich die Arbeit immer wieder unterbrechen muss, weil das Klappern meines Webstuhls die arme Robin stört.
    3.
    Jetzt möchte ich euch erzählen, was uns dann endgültig zum Aufbruch trieb. Es war um die Morgendämmerung, obwohl durch die Fensterläden noch kein Licht fiel. Mir schmerzte auf der einen Seite der Nacken, und ich hatte einen üblen Geschmack im Mund. Das Feuer war fast ganz heruntergebrannt, aber Entchen rollte sich unruhig davor hin und her. Hern saß auf dem Tisch.
    »Der ganze Boden ist nass«, sagte er.
    Ich legte die Hand auf den Herdvorleger, um mich hochzustemmen, und mir war, als fasste ich in einen Sumpf. »Ärgh!«, rief ich – ein Ausruf, für den es kein echtes Wort gibt.
    Die Tür zum Schlafzimmer schwang auf, und dort stand Gull im Nachthemd und betastete den Türrahmen wie schon gestern Abend. Mit den Füßen platschte er durch das Wasser, das auf dem Boden stand. »Ist es Zeit?«, fragte er.
    »Zeit wofür?«, entgegnete Hern.
    »Zeit aufzubrechen«, antwortete Gull. »Wir müssen stromabwärts.«
    Bis dahin, das schwöre ich, hatte Robin geschlafen, doch nun fuhr sie auf, sprang platschend herbei und versuchte, Gull wieder zu Bett zu bringen, noch bevor er den Satz beendet hatte. »Ja, gewiss. Wir brechen auf«, sagte sie. »Aber es ist noch nicht ganz so weit. Leg dich wieder hin, bis wir fertig sind.«
    »Ihr fahrt doch nicht etwa ohne mich?«, fragte Gull, während sie ihn durch die Tür zurück ins Schlafzimmer drängte.
    »Natürlich nicht«, versicherte Robin ihm. »Aber das Boot ist noch nicht beladen. Du ruhst dich aus, bis wir das erledigt haben, und ich rufe dich, sobald das Frühstück fertig ist.«
    Während sie Gull wieder ins Bett legte, platschten Hern und ich gereizt umher. Wir füllten die Laterne nach, zündeten sie an und legten die letzten Scheite aufs Feuer. Entchen wachte auf.
    »Gehen wir wirklich fort?«, fragte er, als Robin zurückkam.
    Hern und ich dachten, Robin hätte nur Gull beschwichtigen wollen, doch sie antwortete: »Uns bleibt wohl nichts anders übrig. Ich glaube, von uns allen kennt Gull die Wünsche der Unvergänglichen am besten.«
    »Du meinst, die Unvergänglichen hätten ihm gesagt, dass wir fliehen müssen?«, fragte ich. Obwohl wir noch frühen Morgen hatten, lief mir ein ehrfürchtiger Schauer den Rücken hinunter. Gewöhnlich passiert mir das erst am Abend.
    »Gull wird uns reden gehört haben«, sagte Hern. »Das erklärt es genauso gut. Trotzdem bin ich froh, dass euch Dummköpfe am Ende doch noch irgendetwas überzeugt hat. Lasst uns anfangen, das Boot zu beladen.«
    Doch ich wollte überhaupt nicht mehr fort. Iglingen war das Einzige, was ich kannte. Alles andere bedeutete für mich nur eine große Leere. Aus dieser Leere kamen Menschen und berichteten von zauberkräftigen Heiden, dem König und dem Krieg, aber eigentlich konnte ich nicht recht glauben, dass außer Iglingen noch andere Orte wirklich sein konnten. Ich wollte nicht in das Nirgendwo jenseits des Dorfes. Ich glaube, tief in seinem Innern empfand Hern genauso. Mit der Laterne gingen wir langsam in

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