Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
Vom Netzwerk:
solle, wie Hern oder Entchen es getan hätten, obwohl er das Brot gesehen haben musste. Ich drückte es ihm in die Hand, und er aß es, ohne mit seinem leeren Dahinstarren aufzuhören.
    »Hab ich schon gestern Abend ausprobiert«, flüsterte Entchen mir zu. »Er kann ganz gut sehen. Daran liegt es nicht.«
    Die Füße in die Stuhlsprossen gehakt, weil das Wasser mittlerweile unter allen Türen hereinlief und in Lachen auf dem Boden stand, saßen wir zusammen am Tisch. Die Ecke, in der mein Webstuhl und mein Spinnrad standen, lag ein bisschen höher, sodass beides trocken blieb. Das Gleiche galt, bis auf eine Senke in der Mitte, für die Spülküche. Wir lachten darüber, nur hätte ich meinen Webstuhl schon sehr gern mitgenommen. Das Boot jedoch war schon so schwer beladen, dass es zwecklos gewesen wäre, auch nur zu fragen, ob wir ihn vielleicht unterbringen könnten.
    Als ich Gull die letzte Scheibe Brot in die Hand gab, fauchte es im Herd, und eine Dampfwolke brach hervor.
    »Ach du liebe Güte!«, rief Robin aus. Sie rannte so eilig zum Herd, dass sie uns alle nass spritzte. Das Wasser leckte sanft über die Steine des Herdes und lief zwischen die Scheite. Robin packte die Schaufel und nahm damit alles auf, was noch brannte. Sie musste vom Rauch husten, aber sie drehte sich um, winkte uns herbei und hob die Schaufel mit der roten Glut. »Schnell, den Topf, den Feuertopf! Ach, warum kann keiner von euch mir je von sich aus mal zur Hand gehen?«
    In meinem ganzen Leben hatte ich es nicht erlebt, dass das Herdfeuer ausging. Ich hätte nicht gewusst, wie wir es wieder entzünden sollten, wenn es verlosch. Auf Robins Schrei hin machte Gull eine schwache, unbeholfene Bewegung. Hern eilte platschend zu dem großen Feuertopf, den wir im Boot benutzen, und ich holte rasch den kleinen, den wir mit aufs Feld nehmen. Entchen nahm sich eine Frühstücksschale und versuchte, weitere glimmende Späne darin aufzufangen. Er hatte die Schale jedoch erst halb gefüllt, als das Wasser wieder in den Herd schwappte und das Feuer in eine schwarze, dampfende Pfütze verwandelte.
    »Ich glaube, ich habe gerade genug«, sagte Robin hoffnungsvoll und setzte die Deckel auf die Feuertöpfe.
    Alle Zeichen deuten auf Aufbruch, dachte ich, während ich mit Hern zum Holzschuppen watete und wir die Feuertöpfe ins Boot luden. Der Strom hatte die Außentür wieder aufgerissen. Draußen war es schon hell, doch außer dem ockergelben Fluss, der so still und so gleichmäßig vorbeiströmte, dass er geradezu heimlichtuerisch wirkte, war nichts zu sehen. Das andere Ufer war von braunem Wasser überflutet, das mit der gleichen Kraft an den Baumstämmen entlangströmte, mit der es an der Tür unseres Holzschuppens vorbeigluckerte. Überall sah es so glatt und ruhig aus, dass ich zuerst gar nicht bemerkte, wie reißend der Strom war. Dann trieb ein abgerissener Ast an der Tür vorbei – und verschwand ganz schnell. Nie war ich mehr geneigt zu glauben, der Strom sei wirklich ein Gott, als in diesem Augenblick.
    »Ich möchte wissen, ob das Haus ganz vom Wasser umgeben ist«, sagte Hern. Wir stellten die Töpfe ins Boot und wateten zurück, um nachzusehen.
    Was für ein törichter Einfall. Anscheinend hatten wir neben so vielem auch Onkel Falks Warnung vergessen. Wir stiegen zu meinem Webstuhl auf die erhöhte Ecke und nahmen die Planke von den Läden. Zum Glück öffneten wir die Läden nur einen Spalt weit. Draußen hatte gelbes, dahinschießendes Wasser unseren Garten auf voller Breite überschwemmt, aber es stand nicht sehr hoch. Am Rand des Wassers hatten sich die meisten Männer des Dorfes bedrohlich aufgereiht. Ich entdeckte Zwitt, der sich auf sein Schwert stützte; die Klinge glänzte neu und sauber, denn er war ja nicht mit in den Krieg gezogen. Die Schwerter der anderen waren braun und schartig; sie fand ich weit furchterregender. Ich weiß noch, wie mir auffiel, dass hinter ihnen das gelbe Wasser fast Tante Zaras Haus erreicht hatte. Die Männer standen auf einer kleinen Erhebung zwischen den beiden Höfen.
    »Seht nur!«, riefen wir, und Entchen und Robin drängten sich an den schmalen Spalt.
    »Den Unvergänglichen sei Dank!«, sagte Robin. »Der Strom hat uns das Leben gerettet!«
    »Lange dauert es nicht mehr, dann überwinden sie sich und kommen durchs Wasser«, bemerkte Entchen.
    Reihauf, reihab machten sich die Männer mit lauten Rufen Mut. Zwitt deutete immer wieder auf unser Haus. Wir begriffen zuerst nicht, wozu Korib, der Sohn des

Weitere Kostenlose Bücher