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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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eine Art grünes Gehölz und landeten auf einem trockenen Kiesstrand, der von beiden Strömen aus nicht zu sehen war.
    »Ich glaube, hier sind wir in Sicherheit«, sagte Robin gerade, als ein Heide einen schmalen roten Pfad von weiter oben eilig herunterlief und zwischen den Binsen stehen blieb, kaum dass er uns sah.
    »Wer hat gerufen?«, fragte er.
    Er wirkte – wie soll ich es ausdrücken? – feucht vor Hast oder benetzt vom freien Himmel. Seine Haut war stärker gerötet als unsere, davon abgesehen unterschied er sich nicht sehr von uns, sah man davon ab, dass er erwachsen war und wir vier nicht. Sein Haar war lang und golden und noch lockiger als Robins oder Entchens Schopf. Ich muss sagen, dass ich sein Gesicht mochte. Er lächelte mild, und seine Nase zeigte ganz leicht nach oben. Sein einfacher Wollmantel war von einem ausgeblichenen Rot, ähnlich dem Mantel, mit dem mein Vater in den Krieg gezogen war. Das Kleidungsstück war nass vom Tau. Ich sah Kleckse aus rotem Schlamm, der ihm auf die Beine gespritzt war, und er trug Schuhe wie unsere, nur dass sie ebenfalls nass waren. Zu unserer Erleichterung hatte er keine Waffe bei sich. Seine Hände waren leer, und er schob mit ihnen die Binsen zur Seite.
    Ich dachte: Nun, wenn das ein Heide ist, können sie so schlimm nicht sein.
    »Äh … eigentlich hat niemand gerufen«, sagte Hern vorsichtig. »Wir streiten noch, ob wir landen sollen oder nicht.«
    »Seid froh, dass ihr gelandet seid«, sagte der Heide. »Eine große Gruppe Heiden kommt in einem Boot den Roten Strom herunter.« Da er sie Heiden nannte, wussten wir, dass er von unseren Landsleuten sprach. Nicht dass wir dadurch in geringerer Gefahr geschwebt hätten.
    Wir sahen uns an. »Wir sollten lieber warten, bis sie vorbeigefahren sind«, sagte Robin unschlüssig.
    »Wenn ihr wollt, könnt ihr unter meinem Dach warten«, bot der Heide uns höflich an.
    Sein Vorschlag behagte uns wenig, doch wollten wir uns ihm keinesfalls als seine Feinde zu erkennen geben. Robin und Hern und ich tauschten untereinander Blicke. Entchen sah den Heiden an und lächelte. »Ja bitte«, sagte er. Ich trat ihm gegen den Knöchel, doch er wich mir einfach aus. Im nächsten Moment eilte er schon den Weg entlang. Robin gab ein damenhaft-leises Heulen von sich und stieg ebenfalls aus dem Boot.
    Hern und ich waren ratlos. Wir meinten zwar, wir sollten beieinander bleiben, aber das hätte bedeutet, Gull sich selbst zu überlassen. Wir beugten uns nieder und versuchten ihn aufzurichten.
    »Komm mit, Gull«, sagte ich. »Wir besuchen jemanden.« Auch Hern redete ihm ermutigend zu, doch Gull rührte keinen Finger, und es gelang uns nicht, ihn zu bewegen.
    Feuchtes Haar strich mir über das Gesicht, und ich fuhr zusammen. Der Heide kniete neben dem Boot und beugte sich zwischen uns, um Gull zu betrachten. »Wie lange ist er schon so?«, fragte er.
    Hern sah mich an. »Monate, glaube ich.«
    Robin neigte sich eifrig zu uns vor. »Weißt du, was ihm fehlt, Herr? Kannst du uns helfen?«
    »Ich kann etwas für ihn tun«, antwortete der Heide. »Es wäre aber besser gewesen, wenn ihr ihn schon früher hierher gebracht hättet.« Als er aufstand, wirkte er sehr ernst. »Wir müssen warten, bis die Heiden vorüber sind.«
    Entchen kam den Pfad zurückgeeilt. »Ich habe die Heiden gesehen – «, rief er.
    »Still!«, sagte der Mann.
    Wir hörten laute Stimmen und das Platschen, wie es entsteht, wenn viele Menschen rudern. Ich sah die Leute nicht, und sie redeten alle durcheinander, aber ich hörte einen sagen: »Alles klar voraus. Keiner von diesen Teufeln in der Nähe.« Es klang nach einem großen, schweren Boot, das durch die Ruderkraft und die Strömung sehr schnell fuhr, und ich dachte, dass die Insassen gewiss nach Heiden Ausschau hielten. Die Laute entfernten sich rasch zum weiten, doppelt breiten Strom und verklangen.
    Als die Männer fort waren, sagte unser Heide: »Ich heiße Tanamil, das bedeutet ›jüngerer Bruder‹.«
    Ich war mir nicht sicher, ob wir ihm unsere Namen nennen sollten, denn ich fürchtete, er könnte an ihnen erkennen, dass wir keine Heiden waren, weil sie überhaupt nicht fremdländisch klangen. Doch Robin, höflich und damenhaft, wie sie sich immer öfter betrug, stellte uns alle vor. »Das ist Hern«, sagte sie, »und Tanaqui, und der im Boot liegt, ist mein Bruder Gull. Das ist Entchen …«
    Tanamil hob den Kopf zu Entchen, der über uns auf dem Pfad stand. »Entchen?«, fragte er. »Nicht

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