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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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dass etwas dabei herausgekommen wäre – außer dass ich mich schuldig fühle.
    Am nächsten Morgen bedeckte Reif das Boot, unsere Decken, den Boden und die kahlen Bäume. Sein Weiß hob sich eigenartig von der blutroten Erde ab. Auch im Gelb des Stromes schimmerte ein Rosaton, den die rote Erde verursachte.
    Gull wollte wieder nichts essen, und mir fiel mein Traum ein. Ich ertappte mich, wie ich die Hände rang, als wäre ich Robin, während ich Gull betrachtete, der im eisigen Boot lag. Ihm musste doch kalt sein. Was nur ist ein Wässerkuss?, fragte ich mich. Es muss der Zusammenfluss zweier Ströme sein. Hern kann sagen, was er will, aber wenn wir an eine Flussmündung kommen, dann falle ich über Bord oder tue so, als müsste ich sterben, oder ich lasse mir etwas anderes einfallen, nur dass wir dort bleiben.
    Auch Robin war zu einer Entscheidung gelangt. »Wisst ihr«, sagte sie, »ich glaube, wir sollten nicht weiterfahren. Ich finde, wir sollten auf dieser Insel bleiben und Gull wieder aufpäppeln. Ich fürchte, ein sichereres Versteck werden wir so leicht nicht finden.«
    Zu unserem Erstaunen widersprach Gull ihr nicht. Er schien zu schwach zu sein, um noch zu reden. Entchen aber wandte ein: »Also ehrlich, Robin! Hier verhungern wir doch!«
    Hern meinte: »Wir sollten uns lieber ein verlassenes Haus als Unterschlupf suchen. Gull braucht ein Dach über dem Kopf, Robin.«
    »Und es muss doch einfach jemanden geben, der uns glaubt, dass wir keine Heiden sind«, sagte ich, »und der uns hilft, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Lasst uns lieber weiterfahren.«
    »Ich glaube, ihr irrt euch alle«, entgegnete Robin. »Es könnte Gulls Tod sein, wenn wir ihn mit auf solch eine lange Reise nehmen.«
    »Er will es doch so«, erwiderte Hern.
    »Er weiß nicht, was für ihn am besten ist«, sagte Robin. »Lasst uns hier bleiben.«
    Wir beachteten sie nicht. Hern und Entchen stiegen über Gull hinweg ins Boot und setzten das Segel. Ich goss Wasser auf die Feuerstelle und verstaute den Feuertopf.
    Robin seufzte und schüttelte den Kopf; sie sah aus wie eine Achtzigjährige. »Ach, ich weiß einfach nicht, was wir am besten tun!«, sagte sie. »Versprecht mir nur, dass ihr anhaltet, sobald wir eine gute Stelle finden.«
    Wir versprachen es ihr leichthin und unaufrichtig. Ich wollte nur an einer Flussmündung anhalten. Ich weiß nicht, was Hern und Entchen planten, aber ich merke immer, wenn sie es nicht ehrlich meinen.
    Während wir weiterfuhren, stieg die Sonne rechts des Stromes über den Hügel, den sie dunkel und blau reifbedeckt beließ, während sie das linke Ufer in Gold verwandelte. Die Hänge wurden höher und steiler, während wir zwischen ihnen hindurchschossen; auf der einen Seite blieben sie blau und auf der anderen golden, bis die Sonne sie so weit aufgetaut hatte, dass die rote Erde wieder sichtbar wurde. Links waren plötzlich niedrige rote Felswände zu sehen, die unversehens aufhörten, als handle es sich um die Wand eines roten Hauses. Dahinter war der Strom wenigstens doppelt so breit wie vorher. Links und rechts sahen wir eine gerade Reihe von Bäumen im Wasser, und dahinter einen ausgedehnten Wasserspiegel, der in der Sonne leuchtete. Ich glaube, die Bäume kennzeichneten den Verlauf des normalen Stromufers.
    Als wir am Ende des roten Hangs vorbeifuhren, drehte ich den Kopf. Und so entdeckte ich noch mehr Wasser, das sich zwischen den Steilwänden hindurchwand, und auf dessen anderer Seite noch mehr rote Felsen aufragten.
    »Der Wässerkuss!«, rief ich. Ich stürzte an die Pinne und entwand sie Herns Fingern. Entchen half mir dabei.
    »Seid doch keine Narren!«, schrie Hern.
    Wir zerrten hin und her, und das Segel schlug herum. Das Boot begann in Kreisen zu fahren. »Was macht ihr denn da?«, kreischte Robin.
    »Wir gehen an Land. Wir wollen an Land!«, schrie Entchen zurück.
    Während wir drei lautstark um die Gewalt über die Pinne kämpften, hätten wir jedem Bogenschützen, ob Heide oder einer der unseren, ein ideales Ziel geboten. Trotzdem hatten wir Glück. Hern gab nach, wenngleich er uns immer noch anbrüllte. Wir steuerten in ein großes Binsenfeld unter der ersten roten Felswand.
    Höhere Binsen hatte ich noch nie gesehen. Sie mussten tief hinab in das Wasser reichen, und trotzdem überragten sie uns. Vor dem Bug teilten sie sich, hinter dem Boot schlossen sie sich wieder zusammen, und unsere Bewegung trug uns zwischen ihnen hindurch. Während wir noch immer stritten, gelangten wir in

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