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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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er, »bevor ihr weiterfahrt.«
    Ich weiß nicht, was in uns fuhr, aber wir nahmen sein Angebot an. Dabei war Tanamil ein Heide. Er hatte uns gerade Gull genommen, und zwar auf eine Weise, die bewies, was für ein mächtiger Magier er sein musste, und doch machten wir uns deswegen keine Gedanken. Wir folgten ihm auf dem roten Weg zwischen den Binsen; Robin trug Gull.
    Der Weg führte auf einen grasigen Vorsprung unter der roten Klippe. Von dort konnten wir auf beide Flüsse sehen. Unser eigener Strom wand sich aus einer tiefen Schlucht hervor, mächtig, reißend und gelb. Der andere Strom war rot und schmaler, wenngleich nicht weniger reißend, und er brachte eine Fröhlichkeit mit sich, die ich bei noch keinem Fluss gesehen hatte. Er sang zwischen den roten Felswänden. Die Bäume, der Farn und das Schilf wirkten dort grüner, und es wimmelte vor Vögeln. Während unserer Zeit bei Tanamil hörten wir ununterbrochen ihren Lärm.
    Wenn ich mich an Tanamils Haus erinnern soll, so bin ich verwirrt. Ich dachte, es sei an den roten Steilhang gebaut und bestehe aus Treibholz und rotem Schlamm. Ich meinte, dass wir Schilfvorhänge beiseite schoben, um einzutreten. Doch ich könnte schwören, dass wir in den Hang selbst eingetreten sind. Ja, wir müssen innerhalb des Felsens gewesen sein, denn ich erinnerte mich an einen zweiten Eingang tief unten neben dem zweiten Strom, wo das rote Wasser energisch gegen die gefransten Kolben der Tanaqui leckte. Das Sonnenlicht leuchtete grün zwischen ihnen hindurch und tanzte in Kräuseln und Wellen an der Decke.
    Der Raum war einigermaßen behaglich; es gab Stühle, einen Tisch und Stapel von Decken, einige davon aus Pelz, andere einfach gewoben. Ein gutes Feuer brannte im Herd. Da er Heide war, hatte Tanamil keine Unvergänglichen am Herd. Stattdessen stellte Robin dort behutsam die kleine trockene Figur Gulls ab. Sie dabei zu beobachten, brach den Bann, der kurz auf mir gelegen hatte – und ich war nun sicher, dass es sich um einen Zauber gehandelt haben musste. Ich fuhr auf und rief: »Oje! Wir haben unsere Unvergänglichen im Boot gelassen!«
    Tanamil lächelte mir freundlich zu. »Sorge dich nicht. Sie bewachen für euch das Boot.«
    Ich setzte mich wieder, und lange Zeit vergaß ich sowohl, dass wir auf einer Reise waren, als auch die möglichen Gefahren zu erwägen, und dachte nicht einmal mehr an Gull. Stattdessen verbrachte ich die schönste Zeit meines Lebens. So ging es uns allen, obwohl Robin gegen Ende nicht mehr ganz wohl zu sein schien. Doch ich kann mich kaum erinnern, was geschehen ist. Bis heute geht mir im Kopf alles durcheinander. Nur durch langes Nachdenken und Gespräche mit Entchen erinnere ich mich besser – obwohl ich mir noch immer nicht sicher bin, ob wir die richtige Reihenfolge gefunden haben.
    »Das ist das Schlimme an dir, Tanaqui«, sagte Entchen zu mir. »Du willst immer alles in der richtigen Ordnung. Du bist genauso schlimm wie Hern.«
    Ich glaube, Entchen hat Recht, obwohl ich es bisher nie bemerkt habe. Wenn ich etwas in meinem Kopf nicht einordnen kann, dann ärgert es mich, wie mich ein Webstück ärgert, bei dem ich einen Fehler begangen habe – wie Robins schreckliches blaues Kleid. Darum sind Hern und ich viel entsetzter als Entchen über die eigenartige Zeit, die wir bei Tanamil verlebt haben.
    6.
    Ich entsinne mich, dass wir an dem hübschen Feuer eine ausgezeichnete Mahlzeit erhielten. Von solchem Essen hatte ich bisher nur gehört: Hummer mit feinen hellen Keksen und Wildbret, danach getrocknete Trauben. Onkel Falk hatte uns von Trauben erzählt. An kriechenden Ranken wachsen sie in den Schwarzen Bergen zwischen den Bäumen. Als ich zum ersten Mal vom König hörte, sagte mein Vater, er speise jeden Tag Hummer und Wildbret. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas jemals selber essen würde. Auch Wein bekamen wir, genau wie unser König. Wein ist eine erlesene blassrote Flüssigkeit, die leicht sprudelt. Tanamil sagte, der Wein stamme aus den Schwarzen Bergen. Robin goss eine Winzigkeit von ihrem Wein vor der trockenen Figur Gulls aus. Tanamil lachte darüber, und Robin wurde knallrot. Trotzdem, so sagt Entchen, hat sie es beim Abendessen wiederholt.
    Das Eigenartige ist nun, dass ich mich nur an dieses eine Mahl erinnere. Wir müssen noch mehr zu essen bekommen haben, denn wir übernachteten bei Tanamil. Ja, ich erinnere mich sogar, dass ich unter dem Hang in der warmen Sonne gesessen habe und aß, und zwar nicht nur einmal, sondern

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