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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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Gelegenheit bietet Es ist Japans verborgenes Juwel. Die Menschen vergessen, dass es überhaupt existiert, da oben im Meer versteckt, aber es ist schön.» Sie kicherte.
    Ich fragte mich, was sie aus Sado vertrieben haben mochte, aber ich erfuhr es nie.
    Mehrere Jahre lang spielte ich fast jeden Sonntag Cello mit den dreien. Es war für mich der Höhepunkt der ganzen Woche, und ich fing an, mich schon am Mittwoch oder Donnerstag darauf zu freuen. Ich dachte nie, dass diese Zeit einmal enden würde, aber sie tat es doch.
    Eines Sonntags klingelte das Telefon, als ich gerade aus dem Haus gehen wollte. Es war Frau Katoh. An dem Tag würde das gemeinsame Musizieren ausfallen. Ihre Stimme klang tiefer, ausdrucksloser als sonst, und sie kicherte nicht. Es würde überhaupt kein gemeinsames Musizieren mehr geben. Frau Yama-moto hatte einen Unfall gehabt. Sie war an dem Morgen nach oben gegangen, um im Gästezimmer Staub zu wischen. Sie wusste nicht, dass Lucy dort eine tödliche Falle aufgestellt hatte, aber ebenso wenig wusste es Lucy. Normalerweise schleppte ich mein Cello nach dem Musizieren ins Gästezimmer und ließ es neben dem Kleiderschrank stehen. Letztes Mal hatte ich es, aus mir noch heute unbegreiflichen Gründen, hinter das Bett gelegt, wo es etwas weniger im Weg stand. Offenbar hatte Frau Yamamoto es nicht bemerkt und war, während sie die Schränke abstaubte, rückwärts über mein Instrument gestolpert und mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen. Als ihr Mann sie fand, atmete sie schon nicht mehr.
    Das Cellospielen war mir endgültig verleidet. Frau Ide und Frau Katoh mochte ich nicht wieder sehen. Ich ließ nicht mehr von mir hören und unternahm auch nichts, um das Cello von den Yamamotos zurückzubekommen. Ihr Tod hatte mich mehr erschüttert, als ich mir hätte vorstellen können, als hätte ich jemanden verloren, den ich mein Leben lang gekannt hatte. Gewisse Aspekte dieser Zeit hätte ich allerdings gern in mein weiteres Leben hinübergerettet.
    Ein paar Monate nach Frau Yamamotos Tod begann ich, an einem Kurs in Teezeremonie teilzunehmen. Natürlich hoffte ich, die schlichten Freuden der Teetasse wieder zu finden, des süßen Kuchens, der Tatami und der nur vom Klirren der Teekanne gestreiften schönen Stille. Aber die anderen Teilnehmerinnen nahmen es weniger ernst. Sie tratschten und plapperten während der ganzen Stunde. Sie waren nicht imstande, sich einen Teil der Zeremonie von einer Woche bis zur nächsten korrekt zu merken, weil sie von vornherein nicht richtig zuhörten. Ich vermisste jede wahre Konzentration. Und der Klatsch war auch nicht sonderlich interessant, also hörte ich wieder auf.
    Es gab nur eine Sache aus der Zeit des Streichquartetts, die ich mir bewahrte und weiter im Auge behielt: die Insel Sado. Frau Katoh hatte mir viele Male von diesem schönen, entlegenen Ort erzählt, und ich dachte oft daran. Ich nahm mir vor, eines Tages da hinzufahren, aber in meinen Plänen war ich dort immer allein. Als ich dann endlich wirklich hinfuhr, hatte ich Lily und Teiji als Reisegefährten dabei. Es ist traurig, aber ich kann Frau Katoh für Sado nicht dankbar sein - wohin hat es mich schließlich gebracht?
    Aber dazwischen lag viel Zeit, die es aufzufüllen galt, und nach Frau Yamamotos Tod fing ich an, allein durch Tokio zu streifen. Im Büro hatte ich ein paar Freunde - japanische und nichtjapanische -, aber ich vermied es, häufiger als ein-, zweimal im Monat mit ihnen auszugehen. Ich ertrug es nicht, mein Leben damit zuzubringen, mit Leuten zu reden. Es kam mir wie eine Verschwendung vor.
    Ich gewöhnte mir an, mit der Yamanote-Linie bis zu einem beliebigen Bahnhof zu fahren und dann die Gleise entlang bis zur nächsten Station oder noch weiter zu laufen. So kam es auch, dass ich an dem Abend, als ich Teiji traf, in Shinjuku war. Ich hätte mich zu dieser Zeit nicht als einsam bezeichnet - ich habe mich noch nie einsam gefühlt -, und doch, als ich Teiji da stehen sah, stumm und in sich versunken, brachte ich es nicht fertig, mich von ihm zu entfernen und wieder allein zu sein.
    Wir führten stumme Gespräche mit unsichtbaren Gebärden. Wir schlenderten zusammen durch die Straßen. Wir saßen im Nudellokal seines Onkels herum. Während Teiji bediente oder das schmutzige Geschirr hinaustrug, las ich die Romane Mishimas, Soseki Natsumes, die Geschichte des Prinzen Genji. Wenn der japanische Text zu schwierig wurde, sah ich in der Übersetzung nach. Ich schrieb mir neue Kanjis in einem Heft

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