Jones, Susanna
Fenster kleiner Holzhäuser. Teiji hob ein weggeworfenes Stück Fischernetz auf und verfolgte mich durch die verschlafenen Straßen. Die Leute sahen uns an und lächelten. Niemand schien ihm seinen kleinen Diebstahl übel zu nehmen. Lily schrie ihm hinterher: «Nicht über den Kopf werfen! Sonst stinkt sie nach Fisch. Tun Sie ihr nicht weh!»
Ich rannte und versteckte mich zwischen zwei Häusern. Als Teiji auf mich zukam, begriff ich, dass er meine Spur verloren hatte, aber ich wusste nicht recht, was ich tun sollte. Er hatte noch immer das Netz. Ich sprang hinter ihm hervor und versuchte, es ihm zu entringen. Er drehte sich plötzlich um, und mit einem strahlenden Lächeln, dem strahlendsten, das ich je gesehen habe, zog er das Netz über unser beider Köpfe und schob mich sanft in mein Versteck zurück. Ich hielt dagegen, aber er war zu stark für mich.
«Jetzt habe ich dich gefangen», sagte er. «Du kommst nie wieder frei.» Und er versuchte, mich zu küssen, aber etwas fiel vom Netz über seinem Kopf herunter, streifte seine Wange und landete auf seiner Schulter. Er muss geglaubt haben, es sei irgendein Tier oder Insekt, denn er machte mit einem entsetzten Schrei einen Satz zurück und klatschte sich wiederholt gegen den Hals. Das Etwas fiel auf den Boden. Es war ein Fäserchen vom Netz. Ich lachte so laut, dass ich rücklings hinfiel und Teiji mit mir riss. Als Lily atemlos angelaufen kam, fand sie uns auf dem Boden vor, wo wir als ein einziger lachender Gliederhaufen versuchten, aus dem Netz freizukommen. Sie errötete und trat einen Schritt zurück.
«Verzeihung.»
«Ist schon okay. Wir machen nichts», sagte ich.
«Wir lachen nur.» Teiji liefen Tränen über die Wangen. Ich wischte sie ihm ab und rieb sie mir in die Hände ein, um sie dort aufzubewahren.
Lily half uns auf, und wir brachten das Netz zurück. Wir hatten vorgehabt, uns einen Mietwagen zu nehmen, um die Insel zu erkunden, und wir folgten den Schildern eines preisgünstigen Anbieters. Als wir dort ankamen, blieben wir alle drei vor dem Nachbargeschäft stehen, vor den ausgestellten Mietmopeds und -rädern.
«Das würde Spaß machen», sagte Lily.
«In einem Auto kriegt man leicht Platzangst.» Teiji konnte den Blick nicht von den Mopeds wenden. «Ich sag ja nichts, wenn's nicht anders geht, aber...»
Ich sehnte mich danach, die Ebenen der Insel, die Küstenstraße allein entlangzufahren, nicht in einem Auto, wo ich meine Luft mit zwei anderen Leuten teilen musste. Lucy und ihre
Maschine in frischer Berg- und Seeluft. Ihre zwei Freunde ganz in der Nähe, aber gleichzeitig auch jeder für sich.
Also mieteten wir uns Mopeds und fuhren aus Ryotsu hinaus auf die Straße zu, die zur Sotokaifu-Küste fuhrt. Von da ab fuhren wir die ganze Zeit am Meer entlang, bis wir Nyuukawa erreichten. Noch ein Stückchen weiter in Richtung Nordspitze, und wir waren an unserem Ziel angelangt.
Ich hatte uns ein Zimmer in einem minshuku gebucht, einem einfachen traditionellen Gasthaus. Unser Fenster ging auf das Japanische Meer, und sobald wir unser Gepäck und unsere Schuhe abgestellt hatten, gingen wir hinunter zum steinigen Strand. Zunächst wollten wir uns das Meer nur kurz ansehen, doch als wir es sahen, bekamen wir Lust, ein bisschen mit den Füßen ins Wasser zu gehen. Der Abend war dunkel, aber von der Straße her leuchteten ein paar Laternen bis hinunter ans Meer. Wir wateten durch die kleinen Wellen am Ufer entlang. Das kalte Wasser spritzte um unsere müden Füße auf. Der Sand zwischen den Steinen war weich und verschwand unter unseren Tritten, wie ein zweites, anderes Wasser.
Lily rannte planschend los, und ich folgte ihr lachend. Ich weiß nicht mehr, wo Teiji war. Ich krempelte mir die Jeans hoch, aber das Wasser spritzte auf, und bald war ich bis zu den Oberschenkeln durchnässt. Ich lachte lauter. Lily rief mir etwas zu, aber ich verstand es nicht. Sie drehte sich in vollem Lauf halb nach mir um und wiederholte es noch einmal, aber genau in dem Moment stolperte sie über ihre eigenen Füße und fiel rücklings ins Wasser. Ich konnte nicht mehr an mich halten. Ich bekam vor Lachen keine Luft mehr, bis ich meinte, mir würde gleich der Brustkorb platzen. Ich wagte nicht, zu Lily hinüberzusehen, für den Fall, dass sie beleidigt war, denn selbst wenn, hätte ich nicht aufhören können zu lachen. Ich fing an, mich zum Strand zu schleppen, aber als ich dem Wasser den
Rücken kehrte, planschte es hinter mir laut auf, und etwas zog mich ins
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