Jordan, Penny
Übung und den letzten Schliff. Deshalb dankte sie der Freundin für die Einladung, schrieb einen reizenden Brief an deren Eltern und erklärte, dass sie die Ferien bei Freunden ihrer Eltern in Oxford verbringen werde.
Mary und Philip freuten sich sehr über ihren Besuch. Das Baby war jetzt sechs Monate alt und ein glückliches, fröhliches Kind, das von seinen Eltern heiß geliebt wurde.
Pepper betrachtete Oliver weiterhin ausschließlich als das Kind der Simms. Sie spielte mit ihm und kaufte ihm ein Weihnachtsgeschenk, hielt sich aber absichtlich zurück.
Mary wusste nicht recht, ob sie Pepper um ihre Willenskraft beneiden oder entsetzt sein sollte. Sie war unsicher, wie sie sich gegenüber dieser beherrschten jungen Frau mit dem gut geschnittenen dunkelroten Haar und dem neuen typischen Tonfall der Oberklasse verhalten sollte. Es war kaum zu glauben, dass Pepper vor weniger als fünfzehn Monaten kaum mehr als ein völlig verschrecktes Kind gewesen war.
Nicht nur äußerlich hatte sie sich verändert, auch innerlich. Philip hatte nie an Peppers Intelligenz gezweifelt. Aber als er sie jetzt kühl und bestimmt reden hörte, wunderte er sich doch über diese Entwicklung.
Pepper schien alle Informationen wie ein Schwamm in sich aufzusaugen und nie zu vergessen, was sie einmal gelernt hatte. Vermutlich besaß sie das Zeug zu einer hervorragenden akademischen Karriere, doch leider strebte sie nur materiellen Erfolg an.
Philip seufzte ein wenig und sagte sich, dass die Menschen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse besaßen. Er blickte auf den gesenkten Kopf ihres kleinen Sohnes, der mit seinen ersten Bauklötzchen spielte, und empfand erneut Gewissensbisse. Vielleicht hätten sie Pepper hartnäckiger davon überzeugen müssen, ihr Kind zu behalten. Sosehr Mary und er Oliver liebten, sie waren nicht seine leiblichen Eltern.
„Ich werde meinen Schritt nie bereuen.“
Philip staunte, wie genau Pepper seine Gedanken erraten hatte.
„Sieh ihn dir an“, sagte sie leise. „Schau ihm in die Augen. Er weiß, dass er geliebt wird, und ist zufrieden. Bei euch ist er sicher, und das soll ihm keiner nehmen. Versprich mir, dass ihr ihm nie die Wahrheit sagen werdet!“
Ahnte Pepper, wie sehr ihm dieser Gedanke zu schaffen machte? Sein Leben lang war Philip für absolute Ehrlichkeit eingetreten. Doch in welchem Alter sollte man einem heiß geliebten und ersehnten Kind erzählen, dass es ein Geschenk gewesen war? Der Augenblick würde kommen, wenn Oliver mehr erfahren und seine leiblichen Eltern kennenlernen wollte.
„Seinetwegen bitte ich euch darum“, erklärte Pepper ernst. „Es würde ihm nicht guttun, wenn er die Wahrheit erführe; ja, es könnte ihm sogar schaden. Der Mann, der ihn gezeugt hat …“ Sie schauderte und verdrängte die Bilder, die sie in manchen Nächten immer noch quälten. „Oliver soll bekommen, was ich nie besessen habe – ein schönes, sicheres Zuhause. Davon wird er sein Leben lang zehren. Das ist mein Geschenk für ihn – das einzige, das ich ihm geben kann. Bitte, versprich mir, dass ihr es ihm nie sagen werdet.“ Und Philip versprach es.
„So ist es für alle am besten“, versicherte Mary ihm, nachdem Pepper gegangen war, und Philip wünschte, er wäre davon ebenso überzeugt wie Pepper und seine Frau.
Peppers ersten Wochen in Oxfords bester Haushaltsschule wären erheblich schwieriger geworden, wenn Isabelle ihr nicht den Weg geebnet hätte.
Isabelle, besser gesagt, Isabelles Eltern, schienen Gott und alle Welt zu kennen. Die Mutter war einst die umschwärmteste Debütantin ihres Jahrgangs gewesen, und niemand hatte sich gewundert, dass sie schließlich später den begehrtesten Junggesellen ihrer Zeit heiratete: den gut aussehenden Erben des exklusiven Bankhauses Kent.
Pepper war sich darüber klar, dass sie die Aufnahme in die Schule vor allem einem Empfehlungsschreiben zu verdanken hatte, das angeblich von einer engen Freundin ihrer verstorbenen Mutter stammte. Das Briefpapier, das sie in Marchington eingesteckt hatte, weil es ihr so gut gefiel, hatte sich als äußerst nützlich erwiesen.
Doch selbst das angebliche Empfehlungsschreiben von Tim Wildings Mutter half wenig, weil sich die anderen Mädchen untereinander kannten oder zumindest aufgrund der gesellschaftlichen Verbindungen ihrer Eltern voneinander gehört hatten. Ohne Isabelle wäre Pepper eine krasse Außenseiterin geblieben, das merkte sie bald.
Sie erkannte auch, dass hier alles bewusst heruntergespielt
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