Jordan, Penny
Colleges um Oxford für junge Mädchen abgehalten wurden.
„Du musst unsere Hilfe annehmen. Wohne zumindest bei uns“, drängte Philip sie.
Rachel schüttelte den Kopf. „Nein, das geht nicht, Philip. Schon wegen Oliver nicht.“
Philip wollte nicht mit ihr streiten. Doch als Rachel mit ihrer Sekretariatsausbildung begann, gab er ihr einen Scheck über hundert Pfund, die sie keinesfalls zurückzahlen sollte.
Da sie eifrig lernte, war Rachel bald den anderen Studentinnen voraus. Abends arbeitete sie hinter der Theke eines Pubs – eines anderen, in dem niemand sie kannte. Sobald sie den Kursus beendet hatte, wollte sie eine Ganztagsstelle als Schreibkraft antreten. Dann konnte sie gleichzeitig an einer Abendschule Sprachen studieren.
Philip besorgte ihr die erste Stelle. Er kannte einen Kollegen, der während der Sommerferien eine wissenschaftliche Abhandlung schreiben wollte und dafür Hilfe brauchte. Neben dem eigentlichen Schreiben waren auch gewisse Nachforschungen anzustellen. Als Professor Crompton zufällig erfuhr, dass Rachel neben ihrer Ganztagsarbeit bei ihm abends noch Französisch und Deutsch lernte, war er überrascht.
„Weshalb?“, fragte er sie neugierig. Spätestens mit einundzwanzig war Rachel gewiss verheiratet. Er begriff nicht, weshalb sie derartige Strapazen auf sich nahm.
Rachel zuckte nur die Schultern und wich seiner Frage aus. Sie wusste inzwischen, wo sie arbeiten wollte, nachdem sie die entsprechenden Kenntnisse dafür erworben hatte: im Medienbereich. Dort würde sie Kontakte zu wohlhabenden, einflussreichen Menschen bekommen, die sie ihrem Ziel näherbringen konnten. In Oxford wollte sie nicht bleiben.
Philip und Mary waren enttäuscht. Oliver war inzwischen ein pummeliges zufriedenes Baby geworden, das alle anlachte und mit seinen dicken Ärmchen jedem zuwinkte, der sich ihm näherte. Manchmal, wenn sie ihn sah, befiel Rachel ein beinahe unbezwingbares Bedürfnis, ihn zu streicheln. Aber sie beherrschte sich. Sie durfte ihren Schritt nicht bereuen und ihn nicht wie ein eigenes Kind lieben. Oliver gehörte nicht ihr, sondern Mary und Philip.
Rachel kaufte eine gebrauchte Schreibmaschine und tippte neben ihren Kursen an der Abendschule und der Tätigkeit für eine Agentur, die Zeitarbeit für Sekretärinnen vergab, noch Dissertationen. Das war eine anstrengende Aufgabe und brachte nicht viel ein, aber sie konnte sich die Zeit frei einteilen, und sie brauchte das Geld dringend.
Zu Beginn des letzten Semesters wollte sie ihr derzeitiges Zimmer aufgeben und in eine elegantere Gegend ziehen. Sie wusste auch, wohin: in ein Haus voller reicher junger Mädchen aus besten Kreisen. Während der letzten Monate hatte Rachel begonnen, ihren Dialekt abzulegen und den Tonfall jener anzunehmen, denen sie nacheifern wollte. Bis Weihnachten musste sie es geschafft haben.
Philip und Mary waren manchmal richtig bestürzt über ihre Entschlossenheit, ihren Eigensinn und ihren fanatischen Willen, das scheinbar Unmögliche zu erreichen. Aber sie liebten sie trotzdem – nicht weil sie ihnen das Kind geschenkt hatte, sondern um ihretwegen. Rachel, die es spürte und genoss, öffnete sich ihnen langsam und begann, die beiden ebenfalls zu mögen.
Das Zimmer, das sie sich wünschte, fand sie beinahe durch Zufall an einem stürmischen Donnerstagnachmittag im Oktober. Sie eilte eine Straße hinab, um ihren Bus noch zu erreichen, und stieß mit einem jungen Mädchen zusammen, das aus der entgegengesetzten Richtung kam. Das Papierpaket, das das Mädchen bei sich trug, riss auf, und die unsauber geschriebenen Blätter fielen auf die schmutzige Straße.
„O je!“, rief das junge Mädchen kläglich. „Neil wird mich umbringen!“ Während Rachel ihr beim Aufsammeln half, fuhr sie fort: „Neil ist mein Bruder, und ich habe ihm versprochen, die Doktorarbeit für ihn zu tippen. Er hat seinen Termin sowieso schon beinahe um eine Woche überzogen.“
Sie war eine kleine Brünette mit kurzen glänzenden Locken und lebhaften haselnussbraunen Augen, und Rachel fühlte sich sofort zu ihr hingezogen. Das Mädchen trug einen Regenmantel und Collegeschuhe und strahlte so viel Zuversicht aus wie ein verhätschelter kleiner Welpe.
„Ich will dir gern helfen“, schlug Rachel vor.
„Oh, würdest du das tun? Ich wohne gleich um die Ecke. Komm mit und trink eine Tasse Kaffee bei mir. Das wird mich für die Auseinandersetzung mit Neil stärken.“ Ihre Miene besagte allerdings, wie wenig sie den Zorn des Bruders
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