Jorina – Die Jade-Hexe
will auch nicht zu dieser keifenden kleinen Tuchhändlerin zurück, die pausenlos auf sie einredet, wenn man sie dummerweise in ihre Gemächer lässt.«
»Alles wird in Ordnung kommen«, versprach Raoul der aufgebrachten Maé. »Ich werde mit dem Herzog sprechen, und er wird dafür sorgen, dass deiner Herrin kein Unrecht geschieht. Vertrau mir!«
»Der Herzog, pah«, brummte Maé. »Das ist auch nur einer von euch Männern ...«
»Mir scheint, du magst keine Männer?« warf Jos de Comper ein, dem diese Kammerfrau mehr und mehr gefiel.
»Je weniger man mit dem Mannsvolk zu tun hat, um so ruhiger lebt unsereins!« gab ihm Maé vernichtend zur Antwort und bedachte Raoul mit einem kriegerischen Blick. »Tut etwas! Sonst begeht sie am Ende noch eine Dummheit! Sie sollte nicht leiden.«
»Du hast mein Wort!«
»Na ja ...«, entgegnete Maé zweifelnd und rauschte hinaus.
»Wäre sie ein Mann, man müsste sie allein für diese beiden Silben in die Schranken fordern«, knirschte Raoul, als die Tür zufiel.
»Dame Jorina verfügt über das erstaunliche Talent, die unterschiedlichsten Menschen zu ihrem Schutz zu vereinen«, stellte Jos trocken fest. »Vermutlich musst du eher diesen verschrammten Drachen um Erlaubnis fragen, ob du sie heiraten darfst, als den Herzog.«
»Du schimpfst mich also nicht länger einen Narren, wenn ich es tue?«
»Ich bin dein Freund, was auch immer du machst, das solltest du wissen! Aber ich behaupte nicht, dass mir dein Entschluss gefällt.«
Die beiden Männer tauschten einen Griff, bei dem sie gegenseitig ihre Unterarme umspannten und sich in die Augen sahen.
»Ich wünsche dir, dass du irgendwann eine junge Frau kennenlernst, für die du so empfindest wie ich für Jorina, mein Freund!«
Jos verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich weiß nicht, ob ich das für einen guten Wunsch halte. Ich mag die Frauen, aber es gefällt mir besser, wenn ich mir keine großen Gedanken über sie machen muss. Ein paar vergnügte Stunden und ein wenig Entspannung genügen mir. Deine Art, die Liebe zu handhaben, ist mir zu schwierig.«
»Wo warst du?«
Etwas an Maés selbstzufriedener Haltung machte Jorina misstrauisch. Seit sie sich von ihrem Krankenbett erhoben hatte und in die Rolle ihrer Dienerin geschlüpft war, hatte sie entschieden an Würde gewonnen.
»Hast du mich gebraucht, Kleines?« Wenn sie unter vier Augen waren, dann behandelte Maé Jorina mit der herzlichen Ungeniertheit einer guten Freundin.
Jorina schüttelte müde den Kopf. Im Grunde interessierte es sie gar nicht, womit sich Maé die Zeit vertrieb. Sie wusste nicht, was sie mit einer Kammerfrau anfangen sollte, und sie hatte mit Maés Person lediglich die Anweisung der Herzogin unterwandert, die ihr eine wildfremde Person für diese Stellung andienen wollte. Es war ohnehin alles so schrecklich fremd für sie. Sie wusste ja selbst nicht, was sie in dieser Burg anfangen sollte.
»Es tut nicht gut, dass du die ganze Zeit betest und grübelst«, riss Maé sie aus ihren trüben Gedanken. »Warum gesellst du dich nicht zu den Damen der Herzogin? Sie hat es dir schließlich angeboten! Sie sind im Sonnensalon und lauschen einem fahrenden Troubadour!«
»Damit sie hinter meinem Rücken über mich tuscheln und mich St. Cados Hure nennen?« fragte Jorina bitter.
»Wer sollte über die Dinge reden, die in Cado vorgefallen sind?« erkundigte sich die Kammerfrau praktisch. »Der Herzog hat Wichtigeres zu tun.«
»Vielleicht der Seigneur«, wisperte Jorina. »Er verachtet mich, er ist enttäuscht von mir. Du hättest seinen Blick sehen sollen, als er vor mir stand ...«
»Was erwartest du von dem Mann?« antwortete Maé nüchtern. »Er hat dich zuletzt in der Burg des alten Wolfes gesehen. Er musste dich für seine Geliebte halten, da reagiert ein eifersüchtiger Mann schon einmal komisch ...«
Sie entschied, nichts von dem Besuch bei Raoul zu verraten. Wenn der Seigneur sein Wort brach, machte sie Jorina nur vergebliche Hoffnungen. Und wenn doch? Nun, man würde sehen.
Jorina antwortete ihr sowieso nicht. Sie war ganz in ihre eigene Welt versunken. Wieder und wieder erlebte sie den Moment, als Raoul vor den Herzog trat. Auch als zerlumpter Gefangener ein Mann von unverkennbarem Stolz. Für ein paar kostbare Herzschläge hatte sie sein Bild in sich aufgenommen und sich allein dem Glück hingegeben, dass er lebte und weiterleben würde.
Bis er vor ihr stand und sie mit diesen grünen Augen ansah, die sich bis in ihre Seele brannten.
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