Jorina – Die Jade-Hexe
Kerzenschein oder Sonnenlicht zu sein schien. Er machte den Eindruck, als wäre er geradezu lebendig.
»Was ist das?« murmelte er.
»Einer der Sterne von Armor, die in grauer Vorzeit das Kreuz von Ys schmückten, das König Gradlon trug, als er über die Bretagne herrschte.« Die Worte des Herzogs fielen schwer in die Stille des kleinen Empfangssaales, und es schien, als hülle das grüne Licht die Männer in einen verzauberten Schleier.
»Das Lösegeld eines Königs«, fügte Jos de Comper eindringlich hinzu. »Sie hatte den Stein an der Quelle vergraben, wo sie dich gesund gepflegt hat.«
»Wie ist das möglich?«
»Das Kreuz von Ys war in die Obhut der Nonnen von Sainte Anne d’Auray gegeben«, beantwortete der Herzog seine Frage. »Als das Kloster überfallen wurde, wusste die Äbtissin nur einen Rat, um das kostbare Kreuz nicht in Paskal Cocherels Hände fallen zu lassen. Sie brach die Sterne aus den Fassungen, weil sie hoffte, damit die Macht des magischem Symbols zu zerstören. Danach gab sie einer Zahl von ausgewählten Novizinnen die Juwelen und drängte sie, das Kloster noch vor dem Überfall zu verlassen. Dame Jorina war eines dieser Mädchen, und sie hat mir den Jade-Stern für Euer Leben geboten.«
»Aber weshalb ...«
In den kühlen Augen des Herzogs glomm so etwas wie leises Schuldbewusstsein auf. »Es war ihr letzter Trumpf, denn ich weigerte mich, allein auf ihr Wort hin die Intrige Cocherels gegen Euch zu glauben.«
»Man kann es Euch nicht verübeln«, gab Raoul bitter zu. »Sie besitzt eine Art, sich ohne Rücksicht auf das eigene Leben für andere einzusetzen, die sie eher unglaubwürdig macht. Jeder vernünftige Mensch muss einfach an soviel Selbstlosigkeit zweifeln ...«
»Sie ist etwas Besonderes«, stimmte Jean de Montfort zu. »Sie bot den Stern von Armor gegen Euer Leben, und ich habe den Handel angenommen. Ihr seid frei!«
Raoul hob den Kopf und gönnte dem Herzog einen resignierten Blick. »Also keine Ehrenrettung, sondern nur ein Handel?«
»Auch eine Ehrenrettung«, widersprach der Herzog bedeutungsvoll. »Jorina und Euer Freund sind nicht die einzigen, die für Euch gesprochen haben, Messire de Nadier. Ich weiß nun, dass das Mädchen die reine Wahrheit gesagt hat. Aber für die Welt mag der Name dieser beiden vorerst genügen, um Eure Rehabilitierung zu begründen. Euer Freund wird Euch Euer Gemach zeigen. Ich nehme an, Ihr werdet euch präsentabel machen wollen, ehe die Öffentlichkeit die Wahrheit über die Schlacht von Auray erfährt.«
»Ich danke Euch!«
Jetzt erwies Raoul de Nadier dem Herzog jene Reverenz, die er ihm vorher verweigert hatte. Ehe er sich mit Jos de Comper zurückzog, wagte er freilich noch eine Frage zu stellen, an der ihm alles lag.
»Und Jorina ...?«
»Ich habe sie der Obhut meiner Herzogin anvertraut, wie Ihr gesehen habt. Macht Euch keine Sorgen um sie, für sie wird gesorgt werden. Ich weiß ihr sehr wohl Dank für das, was sie getan hat.«
Jos de Comper zog seinen Freund nach draußen, ehe er erneut etwas Unverzeihliches sagen konnte. Er hatte den deutlichen Eindruck, dass Raoul zu höchst unvorhergesehenen Aktionen neigte, sobald es um die hübsche Dame mit den ungewöhnlichen Augen ging.
26. Kapitel
»Das kannst du nicht tun!«
Jos de Comper betrachtete seinen Freund, als habe er sich zusammen mit dem Bart und den überlangen Haaren auch seines Verstandes entledigt.
»Es ist ... du liebe Güte, es ist idiotisch! Du bist eben erst dem Henker entkommen, und schon willst du in einen neuerlichen Skandal verwickelt werden, der den Hof auf den Kopf stellt?«
»Unsinn, wer sollte sich für mich und meine Taten interessieren?«
Jos de Comper nahm seine gereizte Wanderung durch das großzügig ausgestattete Gemach auf, das man Raoul de Nadier zugewiesen hatte.
»Zum einen tratscht bereits alle Welt darüber, was den Herrn von Montfort dazu veranlasst haben könnte, dich in Ehren zu begnadigen«, antwortete er. »Zum anderen kannst du dich darauf verlassen, dass der Herzog von St. Cado persönlich dafür sorgen wird, dass auch ein paar sehr ehrenrührige Gründe dafür kursieren. Außerdem hast du die ränkesüchtige Dame Suzelin vergessen, die plötzlich wie eine läufige Katze um deine Gemächer schleicht, während ihr Gemahl mit Gicht darniederliegt. Soll ich weitermachen, oder genügt dir diese Aufzählung deiner persönlichen Schwierigkeiten fürs erste?«
»Lass es gut sein«, stimmte Raoul de Nadier großmütig zu und streifte den
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