Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
Vom Netzwerk:
verursacht. Schuldig schien er ihr in jedem Falle.
    Die kurzfristige Bewunderung, die sie für ihn verspürt hatte, als er tatsächlich einen Karren, den lahmen Ochsen und ein paar Vorräte für sie aufgetrieben hatte, war ohnehin schon längst wieder Verachtung und Furcht gewichen. Sie gab sich keinen Illusionen über seine Person und seine Pläne hin.
    Die Gier, die sie in seinen Augen las, war sowohl auf ihre Person als auch auf das Lösegeld gerichtet, das er sich für den Ritter erhoffte, sollte jener tatsächlich genesen. Welche Methoden er benutzte, um seine Ziele zu erreichen, erfuhr sie, nachdem der halbtaube Knecht, der in den Diebstahl des Fuhrwerks und der Vorräte verwickelt war, ihnen geholfen hatte, den Verwundeten auf den Wagen zu schaffen. In einer schmutzigen Decke hatten sie den Ritter in tiefster Nacht zu dritt an den Wachen vorbei eher gezerrt als getragen. Ein halb genesener Mann, ein Mädchen und ein müder Knecht.
    Normalerweise hätten sie scheitern müssen, aber die Männer des Herzogs hatten längst keinen Sinn mehr darin gesehen, die halb toten Gefangenen besonders aufmerksam zu bewachen. Außerdem hatte einer von ihnen in einem versteckten Winkel unter dem Heu ein volles Weinfass entdeckt. Vermutlich hätte man in dieser Nacht alle Männer des Herrn von Blois befreien können, ohne dass einer der betrunkenen Wächter in der halbzerstörten Herberge bereit gewesen wäre, das Gelage zu unterbrechen.
    Jorina hatte dem Himmel dafür gedankt. Als sie freilich den mörderischen Hieb sah, mit dem Edwy ihren Helfer am Rande der Sümpfe von Auray beseitigte und mit dem Fuß in das Moor stieß, bezweifelte sie, dass der Himmel etwas mit dieser geglückten Flucht zu tun haben konnte. Edwy ging über Leichen.
    Sie hatte im Stillen ein Gebet für den armen Kerl gesprochen und kein Wort über die Gewalttat verloren. Danach war jedoch die Angst zu ihrem ständigen Begleiter geworden. Sie bezweifelte, dass es ihr gelungen war, diese Gefühle vor Edwy zu verbergen. Die Art und Weise, wie er seine Macht demonstrierte, ließ sie für die Zukunft nichts Gutes hoffen. Doch was sollte sie tun? Sie war auf ihn angewiesen, darauf, dass er sie zu der versteckten Köhlerhütte führte.
    Jorina lauschte weiter. Sie kannte sich mit Kämpfen nicht aus, aber nach den Geräuschen zu urteilen schien es ihr, als hätte Edwy mehr als nur einen Gegner, sodass er sich im Nachteil befinden musste.
    Sie verengte die Augen und versuchte sich besser zu orientieren. Sie hatte gelernt, sogar in den Schatten der Nacht Konturen zu erkennen. In Sainte Anne war der Luxus von Kerzen dem Altar und der Mutter Äbtissin vorbehalten gewesen. Novizinnen und Mägde wie Jorina kannten höchstens flackernde Talglichter und glimmendes Herdfeuer.
    Ein wilder Schrei, der mit einem hässlichen Gurgeln abbrach, ließ sie abermals zusammenzucken. Es gab keinen Zweifel daran, dass dies der Todesschrei eines Menschen gewesen war.
    Die rechtlosen Söldner, Landstreicher, Gauner und Abenteurer, welche die Bretagne unsicher machten, bildeten eine ständige Gefahr für alle Reisenden, die über Land zogen. Selbst am Rande des Verhungerns, war diesen Ausgestoßenen jedes Opfer recht und ganz besonders ein Gefährt, dessen Ladeflächen möglicherweise Säcke, Ballen oder Kisten verbarg.
    Das klapperige Gefährt mit den halbhohen Holzwänden und dem müden Ochsen hatte einem Bauern gehört, der auf seinem Weg zur Mühle von Auray zwischen die Fronten geraten war. Ein halb aufgeschlitzter Gerstensack, ein paar Vorräte und ein schmutziges Bündel Decken bedeuteten vermutlich reiche Beute für die Wegelagerer, die kurzen Prozess mit einem Kutscher machten, der sich gegen diesen Eigentumswechsel wehren wollte.
    Zitternd duckte sich Jorina tiefer gegen die Böschung in den Graben. Hatten die Kerle in der Dunkelheit bemerkt, dass sie sich mit ihrem Schützling auf dem Wagen befand, oder hatten sie die beiden Gestalten für Säcke und Ballen gehalten? Sie wagte nicht, ihre eisigen Beine aus dem Sumpf zu ziehen. Wasser und Schlamm sickerten in ihre Holzpantinen, Kälte stieg ihre Beine hinauf und überflutete den ganzen Körper. Sie biss die Zähne aufeinander, damit sie nicht vor Kälte aufeinander schlugen.
    Ihre scharfen Augen entdeckten schemenhafte Bewegungen oben am Rand des steilen Abhangs. Männer durchsuchten die Trümmer des Wagens und befreiten den Ochsen aus seiner misslichen Lage. Ihre lästerlichen Flüche bezeugten, dass sie sich mehr von diesem

Weitere Kostenlose Bücher