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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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»Wenn wir weiterhin in Nässe und Kälte kauern, werden wir uns ohnehin keine Gedanken über die Zukunft machen müssen.«
    »Es wird nicht gehen ...«, murrte er in eigensinnigem Widerstreben.
    Jorina, ohnehin nicht mit übergroßer Geduld gesegnet, vergaß den angeborenen Respekt vor einem Edelmann. »Kein Wunder, dass Euer Herr die Schlacht um Auray verloren hat, wenn seine Männer so wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besitzen!« antwortete sie spitz.
    Ihre Worte empörten den Ritter dermaßen, dass er unwillkürlich seine Kräfte mobilisierte. Jorina ahnte, dass die Pein hinter seinen Schläfen hämmerte, dass der Schmerz durch seine Schulterwunde schoss und er jedes Quentchen seines Atems benötigte, um nicht in demütigender Schwäche aufzugeben. Immerhin hatte er so keine Möglichkeit, sie zu beschimpfen und die Wort auszusprechen, die ihm auf der Zunge lagen.
    Doch die wenigen Meter schienen auch für sie selbst ein fast unüberwindbares Hindernis zu sein. Die Prellungen, die ihren ganzen Körper bedeckten, machten jede Bewegung zur Qual. Hunger und Durst waren noch schlimmer geworden. Seit Tagen hatte sie nichts anderes als altbackenes Brot, einen Rest Käse und ein paar Falläpfel zu essen bekommen. Inzwischen dachte sie sogar schon sehnsüchtig an den kargen Getreidebrei, der in Sainte Anne nach dem Morgengebet ausgegeben worden war, und der hatte wirklich bloß nach Staub und Spelzen geschmeckt.
    Immerhin gelang es ihnen im vereinten Bemühen, Stück für Stück den Hang hinauf zu kriechen. Als sie den Rand erreicht hatten, blieben sie einfach liegen, zu erschöpft, um auch nur ein Wort zu wechseln. Mit jagendem Puls hilflos allem ausgeliefert, was hier auf sie wartete.
    Als Jorina die Augen öffnete, bemerkte sie, dass der Morgen zu grauen begann. Die Schatten wurden lichter, und nach und nach traten Konturen aus dem Dunkel hervor. Die Trümmer des zerstörten Fuhrwerks lagen kreuz und quer über den Wegspuren, und die abgebrochene Deichsel ragte wie ein bizarres Mahnmal zum Himmel. Ächzend stemmte sich Jorina auf ihre zerkratzten Hände und rappelte sich hoch.
    Natürlich waren die Vorräte fort. Sie fand nur noch ein Häufchen Getreidekörner, das aus dem gerissenen Sack gerieselt war, ehe man ihn auf dem Rücken des Ochsen festgezurrt hatte. Sie sammelte sie in einer Falte ihres Rockes sorgsam ein. Kostbares Mehl, auch wenn es noch so wenig war.
    Ein Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren. Der Gefährte ihres Unglücks hatte sich ebenfalls aufgerappelt. Er saß jetzt halb an einen Baumstamm gelehnt und rieb sich mit der gesunden Hand unbewusst den Bart auf Kinn und Wangen. In Jorinas Ohren klang das leise Kratzen überlaut.
    »Ihr habt kein Fieber mehr«, stellte sie fest. Das Zwielicht verriet ihr, dass die Röte unter den Bartstoppeln krankhafter Blässe gewichen war. Sie erhielt keine Antwort. Er hatte die Augen wieder geschlossen.
    Jorina sah auf ihren nassen, schmutzigen Rock und betrachtete ihre zerkratzten Hände. Wenn der Rest von ihr genauso aussah, konnte sie ihm nicht verübeln, dass er sie nicht anschauen wollte. Dennoch fühlte sie unwillkürlich Zorn. Wieso sagte er nichts? War sie ihm nicht einmal einen Morgengruß wert? Immerhin hatte sie sein Leben gerettet!
    »Geh! Such dir deinen Weg und lass mich allein«, hörte sie ihn dann plötzlich mit angestrengter Stimme sagen. »Bring dich in Sicherheit!«
    »Ihr seid närrisch! Wovon redet Ihr?« Sie schüttelte verblüfft den Kopf. »Nehmt Ihr an, ich würde Euch wahrhaftig im Stich lassen? Verwundet, geschwächt und hilflos jedem Wegelagerer ausgeliefert?«
    Er beobachtete, wie sie ihre geprellte Hüfte massierte und die losen Strähnen ihrer Haare mit den Fingern kämmte, ehe sie die wirre Masse mit geübtem Griff zu einem Zopf flocht. Die ruhigen, geradezu eleganten Bewegungen standen in krassem Gegensatz zu ihrer abgerissenen und schmutzigen Erscheinung. Sie mochte den Schlamm der ganzen Bretagne in ihren Rocksäumen und auf der Haut tragen, dennoch wirkte sie anmutig und sehr weiblich.
    »Was schlägst du dann vor?« fragte er resigniert. Es ärgerte ihn, dass er so hilflos war.
    Jorina warf ihm einen prüfenden Blick zu. Besonders viel Einsicht und Übereinstimmung hatte sie von ihm bisher nicht erfahren. Sie sah ihn an, nachdem sie ihre kümmerliche Morgentoilette beendet hatte.
    »Wir müssen weiter. Am besten nicht über diesen Weg, sondern in südliche Richtung, bis wir einen Teil des Waldes erreichen, in dem ich

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