Josef und Paul - Eine Landliebe nach Stundenplan (German Edition)
Platz. Sepp war die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Er war noch immer so verdammt gut aussehend wie damals. Die 35. Kerze auf seiner Geburtstagstorte konnte ihm offensichtlich nichts anhaben. Er wirkte so frisch und saftig wie am ersten Tag unserer Begegnung. Er sagte etwas zu seinen Schülern, es mussten seine Schüler sein, ich glaube nicht, dass es seine Söhne oder Brüder waren, und kam zu mir.
„Hallo!“ Seine Stimme klang scheu, irgendwie ungewohnt.
„Hallo“, antwortete ich knapp. Es war an ihm, das Gespräch weiter zu führen.
„Darf ich mich zu dir setzen?“
„Klar. Wie geht es dir?“
„Gut. Ich verbringe mit meinen Schülern hier eine Kulturwoche.“
„Ach, so nennt man das. In einem Cafe sitzen ist also heute schon Kultur.“ Ich schmunzelte, siegessicher wegen meines sarkastischen Seitenhiebes.
„Ha, ha, sehr witzig. Du siehst gut aus, Paul. Das freut mich, dass du in Ordnung bist. Hast du die Theorie, die du bei uns gelernt hast, in die Praxis umsetzen können?“
„Welche Theorie? Wir beide, du und ich, haben doch genug praktiziert.“
Ich wollte stärker sein als er, schlagkräftig, frech. Ich tat mein Bestes.
„Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht gesehen und du bist so eiskalt zu mir?“ Sepp versuchte Mitleid zu erregen.
Gott, wie traurig.
„Welche Museen habt ihr euch schon angeschaut? Wer ist eigentlich dein persönlicher Assistent? Ist es der Adonis mit dem Smog-T-Shirt dort drüben?“ Ich deutete auf einen seiner Schüler, einen blonden Jüngling mit sportlicher Statur.
„Du kannst es nicht lassen, hm?“
Er roch so gut nach Zigarettenrauch, Marlboro. Ich schaute in seine Augen und sah darin den Mann, der meine Kindheit beendet hat. Es war kein Fremder, es war einfach nur mein Lehrer, der mir so viel beigebracht hat, einfach Sepp, der mir die Eins in Wirtschaftskunde beschert hatte. Ich versuchte die Anspannung loszuwerden.
„Du bist kein gutes Vorbild. Lass mich raten, du rauchst in Gegenwart deiner Schüler.“
„Ja, diese Sucht werde ich niemals loswerden.“
Der Kellner nahm meine Bestellung auf. Sepp war wunschlos glücklich.
Was für eine seltsame Begegnung. Er trug seine Haare extrem kurz. Ich liebte diesen Bürstenschnitt. An ihm sah sogar etwas so Einfaches extrem wundervoll aus, beinahe kitschig. Nein, kitschig war nicht das richtige Wort. Sepp war alles andere als kitschig. Er trug ein schwarzes Hemd und eine enge Jeanshose, die Farbe konnte ich nicht erkennen. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn mit offenem Mund anstarrte. Dieser Mann schaffte es noch immer, mich zum Staunen zu bringen. Eine Eigenschaft, die man auf der positiven Seite seines Kontos verbuchen musste.
„Erzähl von deinem Leben. Wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen?“ Sepp wollte taktvoll sein, schaffte es aber nicht ganz.
„Oh, mein Leben, weißt du, das hat ganz gut begonnen. Abgesehen von einer unbedeutenden Vergewaltigung habe ich alles recht gut gemeistert. Ich war ein paar Tage krank, dann war ich wieder putzmunter, hab die Schule fertig gemacht, einen geilen Freund aufgerissen, der mich vor kurzem wieder verlassen hat, hab mich total in die Arbeit gestürzt, du weißt ja, Holzarbeiten, Heuernte, Tiere versorgen und so, ja und jetzt besuche ich ein Seminar, das für mich wichtig ist, weil ich nächstes Jahr den Stall vergrößern möchte.“
„Das klingt doch gut. Ich würde dir nur gerne sagen, dass es mir Leid tut. Du weißt was ich meine.“
Es entstand eine kleine Pause.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Erzähl mir lieber was von dir. Wie läuft es mit den knackigen Jungs in der Schule?“
Ich konnte nicht anders, ich musste einfach gemein sein. Andererseits war es die Wahrheit. Ich wusste, dass sich nichts geändert hatte. Es war damals so und es ist heute so.
Sepp verschränkte die Hände und stützte sein Kinn darauf. „Es hat ein paar gegeben, die mir recht viel bedeutet haben. Nette Burschen, mit denen man zusammen Pferde stehlen kann. Wir haben viel herum gefickt, haben Wirtschaftskundeprojekte ausgearbeitet und ich hab mich oft nach dir gesehnt.“
Der Übergang war famos.
„Sag bloß, du ziehst noch immer die alte Masche durch“, fragte ich.
„Ja, lach nicht, aber sie funktioniert, ist einfach idiotensicher.“
„Wann hast du dich von Nik getrennt oder seid ihr noch ein Paar?“
„Wir haben uns ein paar Monate nach dem
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