Joseph Anton
alles erzählt und dass Sie es uns erzählen, und in dem Moment, in dem wir wissen, dass sie es wissen, würden wir alles anders machen, also wären ihre Mühen und Anstrengungen umsonst, und sie stünden wieder am Anfang. Außerdem ist ihnen klar, dass die Gefährdung einer hochsensitiven britischen Operation durch die CIA als ein feindlicher Akt angesehen werden würde, als eine Art Kriegshandlung gegen eine befreundete Nation. Warum also sollten sie ihr davon erzählen? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
Mr Greenup sagte auch, dass man das Funktelefon nun als Sicherheitsrisiko einschätze, weshalb es vorläufig nicht benutzt werden dürfe.
Er wurde aus dem Gebäude geschmuggelt, damit er Marianne aus einer Telefonzelle in Hampstead anrufen konnte. Sie klang verzweifelt. Seine Weigerung, den eigenen Bodyguards zu misstrauen, machte ihr Sorgen. Sie fragte sich, ob sie zurückkehren sollte, und falls ja, wann.
Zafar kam am Tag vor seinem zehnten Geburtstag. Er hatte Clarissa gebeten, ihm eine Modelleisenbahn für seinen Sohn zu kaufen, aber sie vergaß, das Spielzeug zu schicken, sandte dafür aber die Rechnung. Das war nicht weiter wichtig. Zum ersten Mal seit Monaten blieb Zafar über Nacht, und das bedeutete ihm mehr als alles andere. Die Polizei zog los, um einen Kuchen zu kaufen, und am 17. Juni 1989 feierten sie, so gut sie eben konnten. Nichts bedeutete ihm so viel wie das lächelnde Gesicht seines Sohnes. Abends wurde Zafar dann zurück ins Haus seiner Mutter gebracht, und am nächsten Tag kehrte Marianne zurück.
Die beiden Will, Will Wilson und Will Wilton, beides höhere Beamte beim Special Branch und im britischen Geheimdienst, holten sie mit steinernen Mienen in Heathrow ab und verhörten sie mehrere Stunden lang. Als Marianne schließlich in Janes Wohnung eintraf, war sie blass und ziemlich verängstigt. An jenem Abend unterhielten sie sich kaum. Er wusste nicht, wie er mit ihr reden oder was er glauben sollte.
Man erlaubte ihm nicht, noch länger in der Stadt zu bleiben. Die Polizei hatte eine Unterkunft gefunden: Ein Bed and Breakfast namens Dyke House im Dorf Gladestry (Glades-tree) in Powys. Zurück in die Waliser Niederungen. Dyke House war ein altes, ehemaliges edwardianisches Pfarrhaus, ein bescheidenes Giebelhaus mit hübschem Garten und einem in der Nähe vorüberplätschernden Bach, nicht weit von Offa’s Dyke am Fuße der Anhöhe Hergest Ridge gelegen. Das Haus wurde von einem pensionierten Polizisten namens Geoff Tutt und dessen Frau Christine geführt, weshalb man es für sicher hielt. In der weiten Welt fand derweil wegen der muslimischen Forderung, man solle ihn wegen Blasphemie verklagen, eine richterliche Anhörung statt, und in Bradford kam es zu einer weiteren Protestdemonstration gegen ihn, bei der vierundvierzig Teilnehmer verhaftet wurden. Der Bischof von Bradford bat darum, mit derlei Protesten aufzuhören. Es schien unwahrscheinlich, dass seine Bitte Gehör fand.
Will Wilson und Will Wilton kamen ihn in Gladestry besuchen und baten Marianne, bei ihrem Gespräch mit ihm nicht anwesend zu sein, woraufhin sie wütend zu einem langen Spaziergang davonstapfte. Man erzählte ihm, man habe ihren Bericht wirklich sehr ernst genommen; diese Angelegenheit sei auf dem Tisch des britischen Premierministers und dem des Präsidenten der Vereinigten Staaten gelandet, doch nach eingehender Untersuchung seien die Untersuchungsbeamten davon überzeugt, dass ihre Anschuldigungen auf keinerlei Wahrheit basierten. »Ich kann verstehen, dass dies für Sie nicht angenehm ist«, sagte Wilson, »schließlich ist sie Ihre Frau, also jemand, dem Sie Glauben schenken möchten.« Man erklärte ihm, wie ihre Befragung abgelaufen war. Natürlich keine Befragung dritten Grades, wie man sie aus Filmen kennt, nichts dergleichen, stattdessen hatte man sich größtenteils auf Wiederholungen und Details verlassen. Woher wusste sie, dass Mr Stanley Howard oder Howard Stanley bei der CIA war? Hatte er ihr einen Ausweis gezeigt? Wie sah der aus? War ein Foto drauf? War der Ausweis unterschrieben? Sah er wie eine Kreditkarte aus oder konnte man ihn falten? »Jede Menge Kleinigkeiten«, sagte Will Wilton. »Es sind die kleinen Dinge, die helfen.« Sie ließen sie die Geschichte viele Male wiederholen, und sie sagten: »Wenn es keinerlei Abweichung gibt, sind wir uns hundert Prozent sicher, dass die Geschichte erlogen ist.« Menschen erzählen die Wahrheit nie zweimal auf exakt dieselbe Weise.
»Es ist nichts
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