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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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geheimen Welt des Joseph Anton einlassen sollte. Doch Geheimnisse wurden gewahrt. Trotz aller Frohnatur und Extrovertiertheit war Bill Buford ein Mann, dem man sein Leben anvertrauen konnte.
    »Ich kümmere mich gleich drum«, sagte Bill. »Wir kriegen das schon hin.«
    *
    Zwei Frauen, die er nicht kannte, sollten nun wichtige Figuren in seiner Geschichte werden: Frances D’Souza und Carmel Bedford. Carmel, eine üppige Irin mit leidenschaftlichen Ansichten, wurde von Artikel 19 zur Sekretärin der Unterstützungskampagne ernannt, die mit vollen Namen ›Internationale Rushdie-Unterstützungskampagne‹ hieß, und Frances, die neue Vorsitzende von Artikel 19, wurde ihre Chefin. Das Komitee war nahezu unabhängig von jener Person ent standen, die es unterstützen sollte, um mit Hilfe von Arts Council, PEN , der nationalen Journalistengewerkschaft, dem Autorenverband und der Schriftstellervereinigung sowie weiteren Verbänden gegen ›bewaffnete Zensur‹ zu kämpfen. Mit der Entstehung selbst hatte er nichts zu tun gehabt, doch arbeitete er im Laufe der Zeit immer enger mit Frances und Carmel zusammen, die für ihn zu unverzichtbaren politischen Verbündeten wurden.
    Sie erlebten ihn in vielen verschiedenen Stimmungen, deprimiert, kämpferisch, bedacht, selbstmitleidig, beherrscht, schwach, egozentrisch, stark, kleinlich oder fest entschlossen, und hielten doch im mer zu ihm. Frances – zart gebaut, schick, dunkel, ernst, wenn sie sich konzentrierte, einnehmend fröhlich in ihrer Freude – war eine formidable Frau. Sie hatte im Dschungel von Borneo gearbeitet und mit den Mudschahedin in den afghanischen Bergen. Sie besaß einen scharfen, raschen Verstand und ein großes mütterliches Herz. Er hatte Glück mit seinen compañeras . Es gab viel zu tun.
    Das Funktelefon wurde ihm zurückgegeben, und besorgt riefen sie ihn an. Marianne war unangemeldet in den Büros von Artikel 19 aufgetaucht, um ihre Absicht anzukündigen, als seine Frau eine führende Rolle in der Kampagne zu übernehmen. Er brauche jemanden, der für ihn spreche, sagte sie, und sie würde dieser jemand sein. »Wir wollten uns nur vergewissern«, sagte Frances auf ihre vorsichtige Art, »dass dies mit Ihrem Einverständnis geschieht, dass es das ist, was Sie wollen.« Nein, hätte er fast geschrien. Es war das Gegenteil dessen, was er wollte; auf keinen Fall sollte Marianne irgendwas mit der Kampagne zu tun haben oder es ihr erlaubt werden, in seinem Namen für ihn zu reden. »Ja«, sagte Frances nachdenklich, »das hatte ich mir gedacht.«
    Marianne hinterließ wütende Nachrichten: Die Banalitäten einer Ehekrise, durch ihrer beider abenteuerliches Leben ins melodramatisch Groteske aufgeblasen. Warum rufst du mich nicht an? Ich rede mit den Zeitungen . Er rief an, und eine Weile beruhigte sie sich. Dann aber sagte sie dem Independent, »obwohl man geistig völlig normal ist, führt man das Leben eines paranoiden Schizophrenen«. Sie verriet nicht, wen sie mit ›man‹ meinte.
    Auch Clarissa meldete sich. Sie wollte, dass er ihr ein neues Haus kaufte. Sie fand, sie müsse umziehen, und das allein seinetwegen, also sollte er auch für die Kosten aufkommen. Das schulde er ihr und seinem Sohn.
    Es folgten weitere Tage in von pensionierten Polizeibeamten (von denen schien es reichlich zu geben) geführten Gasthäusern: in Easton in Dorset, dann in Salcombe in Devon. Der Blick in Devon war wunderschön: die Salcombe-Bucht unter ihm im Sonnenschein, Segelboote, die sie durchquerten, und darüber schwebende Möwen. Bill hatte ein Haus in Essex aufgetrieben. »Gib mir noch ein paar Tage«, sagte er.
    Sein Freund Nuruddin Farah hatte ihm Vermittlungsgespräche mit dem islamischen Intellektuellen Ali Mazrui angeboten, um die festgefahrenen Verhandlungen in Sachen Fatwa wieder in Gang zu bringen. »Okay«, sagte er zu Nuruddin, »aber ich entschuldige mich nicht und ziehe das Buch auch nicht zurück.« Nach einer Weile gestand Nuruddin sein Scheitern ein. »Sie wollen mehr, als du zu geben bereit bist.« Während der Fatwa-Jahre gab es immer wieder Annäherungen dieser Art von Leuten, die behaupteten, über die ›nötigen Kanäle‹ zu verfügen, um das Problem lösen zu können, weshalb sie sich als Vermittler anboten, so ein pakistanischer Gentleman namens Sheikh Matin, der Andrew in New York ansprach, ein britisch-iranischer Geschäftsmann namens Sir David Alliance in London, aber auch noch einige andere. Alle diese Versuche endeten jedoch in einer

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