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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Nummer wählte, nahm sie nicht ab.
    Bob Major und Fat Jack hörten mit ernster Miene zu, als er ihnen weitergab, was sie erzählt hatte. Dann stellten sie eine Reihe Fragen. Schließlich sagte Bob: »Das ergibt für mich keinen Sinn.« Kein Fahrer hatte gemeldet, dass er verfolgt worden war, und sie waren für solche Fälle bestens ausgebildet. Keiner der Sensoren hatte angeschlagen, die man rund um das Haus in Porlock Weir und in den Zimmern angebracht hatte. Es gab keinerlei Hinweise auf einen unbefugten Zutritt. »Das passt alles nicht zusammen«, setzte er hinzu. »Nur ist es Ihre Frau, die das sagt. Also müssen wir es ernst nehmen. Immerhin ist sie Ihre Frau.« Sie würden die Angelegenheit nach oben melden, an die hohen Tiere im Yard, und dann würden Entscheidungen getroffen werden. Ich fürchte, sagte er dann, in der Zwischenzeit können Sie nicht hierbleiben. Wir müssen so vorgehen, als sei die Operation aufgeflogen. Und das heißt, Sie können nicht dahin, wohin Sie gehen wollten oder planten hinzugehen. Wir müssen alles ändern. Hier können Sie auch nicht bleiben.«
    »Ich muss nach London«, sagte er. »Mein Sohn wird in ein paar Tagen zehn Jahre alt.«
    »Dann müssen Sie eine Wohnung besorgen«, sagte Fat Jack.
    *
    Hinterher wurde er manchmal gefragt: Haben Sie Freunde in jenen Tagen verloren? Hat man Angst gehabt, mit Ihnen gesehen zu werden ? Und er antwortete jedes Mal, nein, eigentlich sei sogar das Gegenteil der Fall gewesen. Seine guten Freunde erwiesen sich als echte Freunde in der Not, und Menschen, die er zuvor kaum gekannt hatte, kamen ihm näher, wollten helfen und handelten mit erstaunlicher Generosität, Selbstlosigkeit und Tapferkeit. Daran, wie sich Menschen edelmütig von ihrer besten Seite zeigten, erinnerte er sich weit besser als an den Hass – dabei war der Hass ziemlich stark gewesen –, und er würde stets dankbar dafür sein, dass er diese Großzügigkeit genießen durfte.
    Mit Jane Wellesley hatte er sich angefreundet, als sie 1987 die Dokumentation Das Rätsel der Mitternacht drehte, und diese Freundschaft hatte sich seither noch vertieft. In Indien öffnete ihr Nachname so manche Tür – »eine von den Wellesleys?«, fragten die Leute, um dann ein wenig zu katzbuckeln in Anwesenheit einer Nachfahrin jenes Arthur Wellesley, der in der Schlacht von Seringapatam gekämpft hatte und später als Bonapartes Bezwinger zum Herzog von Wellington ernannt worden war, sowie seines Bruders Richard Wellesley, der einhundertneunzig Jahre zuvor erster Generalgouverneur von Indien wurde – was sie stets eher peinlich als amüsant gefunden hatte. Sie war eine sehr auf ihre Privatsphäre bedachte Frau, die Geheimnisse nur mit wenigen Menschen teilte, und vertraute man ihr ein Geheimnis an, nahm sie es mit ins Grab. Sie war auch eine sehr gefühlvolle Frau, was sie hinter einer Fassade britischer Reserviertheit verbarg. Als er sie anrief, erbot sie sich sofort, ihre eigene Wohnung, ein Dachapartment in Notting Hill, für ihn freizumachen. Er könne bleiben, »so lange, wie du glaubst, dass du sie brauchen kannst«. Es war einer dieser Orte, die den Leuten vom Special Branch nicht gefiel, eine Wohnung, kein Haus, bloß ein Ein- und Ausgang, ganz oben im Haus, nur eine Treppe, kein Fahrstuhl. Mit Polizistenblick gesehen, glich es einer Falle, aber er hatte einen Platz, wo er bleiben konnte, und auf die Schnelle ließ sich nichts anderes auftreiben. Er zog ein.
    Mr Greenup kam, um anzudeuten, dass Marianne die ganze Geschichte vermutlich erfunden hatte. »Haben Sie eine Ahnung, was nötig ist, um eine solche Operation zu knacken?«, fragte er. »Wahrscheinlich verfügen nur die Amerikaner über die nötigen Ressourcen, aber selbst für die wäre es keine Kleinigkeit. Allein um Ihren Wagen zu verfolgen, ohne bemerkt zu werden, müssten sie alle zehn, fünfzehn Kilometer den Verfolger wechseln, und man bräuchte mehr als ein Dutzend Autos, um Ihre Fahrer zu täuschen. Außerdem müssten vermutlich Hubschrauber und Satellitenüberwachung eingesetzt werden. Und in Ihr Haus einzudringen, ohne eine der Sicherheitsfallen auszulösen, ist offen gesagt unmöglich. Aber angenommen, sie hätten all das getan, hätten herausgefunden, wo Sie sich aufhalten, wären ins Gebäude und wieder hinausgelangt, hätten Papiere aus Ihrem Arbeitszimmer mitgenommen und alle Fallen umgangen – warum sollten sie dann auf Ihre Frau zugehen und ihr diese Beweise zeigen? Sie würden doch wissen, dass Ihre Frau Ihnen

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