Joseph Anton
geschlossen war, konnte sich der Tumult um die Veröffentlichung nicht legen. Um ihre muslimische Wählerschaft zufriedenzustellen, hatten sich Labour-Abgeordnete wie Roy Hattersley und Max Madden darauf konzentriert, die Veröffentlichung des Taschenbuchs zu verhindern, was nur ein weiterer Grund war, sie voranzutreiben. Auch gab es keine kommerziellen Gründe mehr für einen weiteren Aufschub. Die gebundene Ausgabe, die sich gut verkauft hatte, war von der englischen Bestsellerliste verschwunden und wurde, mangels Nachfrage, von vielen Buchläden aus den Regalen genommen. Unter gewöhnlichen Publikationsbedingungen wäre dies der richtige Zeitpunkt, eine billigere Ausgabe auf den Markt zu bringen.
Es gab weitere Argumente. Überall in Europa kamen nun Übersetzungen des Romans heraus, so in Frankreich, Schweden, Dänemark, Finnland, Holland, Portugal und Deutschland. Die Taschenbuchausgabe in Großbritannien und den Vereinigten Staaten würde wie ein Teil dieses ›natürlichen‹ Prozesses wirken, und das wäre, wie die Polizei riet, tatsächlich am sichersten. Nachdem Kiepenheuer & Witsch in Deutschland den Vertrag mit ihm gekündigt hatte, wurde ein Konsortium von Verlegern, Buchhändlern sowie prominenten Schriftstellern und öffentlichen Personen gegründet, um den Roman im Artikel 19 Verlag herauszubringen, der ihn nach der Frankfurter Buchmesse veröffentlichen würde. Falls Peter Mayer ebenfalls ein Konsortium gründen wollte, um das Risiko gleichsam breiter zu streuen, wäre das durchaus eine mögliche Lösung. Vor allem aber wollte er, als ihr Treffen schließlich stattfand, Mayer Folgendes sagen – was er auch tat: »Das Schwierigste haben Sie hinter sich, Peter. Mit großer Standhaftigkeit haben Sie mit all Ihren Mitarbeitern bei Viking das Buch auf einem Weg voller Gefahren bis hierher begleitet. Bitte, schrecken Sie jetzt nicht vor dem letzten Hindernis zurück. Wenn Sie diese Hürde nun auch noch nehmen, hinterlassen Sie einst ein ruhmreiches Erbe. Wenn nicht, bleibt ewig ein Makel daran haften.«
Das Treffen fand statt. Er wurde nach Notting Hill ins Haus von Alan Yentob geschmuggelt, in dem Andrew, Gillon, Peter Mayer und Martin Garbus bereits auf ihn warteten. Man erzielte keine Eini gung. Mayer sagte, er wolle versuchen, »seine Leute davon zu über zeugen, das Buch in der ersten Hälfte des Jahres 1990 herauszubringen«. Ein konkretes Datum mochte er nicht nennen. Nichts auch nur annähernd Konstruktives wurde gesagt. Garbus, der ›begnadete Unterhändler‹, erwies sich als wahre Nervensäge, ein Mensch von ungeheurer Selbstzufriedenheit und nicht wahrnehmbarem Nutzen. Das Ganze war die reinste Zeitverschwendung.
*
Von dem, was Mayer in anderen Briefen zu sagen hatte, war manches allerdings ganz und gar nicht lustig. Einiges war sogar beleidigend. Andrew und Gillon hatten ihm erzählt, dass der Autor, sooft es ihm die turbulenten Umstände erlaubten, an einem neuen Buch arbeitete, Harun und das Meer der Geschichten , geschrieben für den zehnjährigen Zafar Rushdie als ein Geschenk von seinem Dad. Mayer erwiderte, sein Verlag sei nicht bereit, die Publikation eines neuen Buches von Rushdie in Betracht zu ziehen, solange ihrerseits kein fertiger Text geprüft worden sei für den Fall, dass durch das neue Buch wieder eine Kontroverse ausgelöst werde. Niemand in seinem Haus, erklärte Mayer, habe viel über den ›Koran‹ gewusst, als sie die Rechte an Die satanischen Verse erwarben. Sie konnten von dem Autor die ses Romans kein neues Werk kaufen, um dann, wenn es Schwierigkeiten gab, gestehen zu müssen, dass sie nicht das ganze Manuskript gelesen hatten. Der Autor dieses Romans begriff, dass Mayer ihn für jemanden hielt, der Schwierigkeiten machte, der die Ursache entstandener Schwierigkeiten war und der erneut für Schwierigkeiten sorgen könnte.
Mayers Ansichten wurden publik, als in The Independent ein Porträt von ihm erschien. Der anonyme Verfasser, der offenbar weidlich Zugang zu ihm gehabt hatte, schrieb: »Mayer, ein unersättlicher Leser, der einmal sagte ›Jedes Buch hat eine Seele‹, übersah die religiöse Zeitbombe, die zwischen diesen Seiten tickte. Zweimal wurde Rushdie gefragt, einmal, bevor Penguin die Rechte an dem Buch erwarb, und dann später noch einmal, was denn das mittlerweile berüchtigte Mahound-Kapitel zu bedeuten habe. Er schien nur ungern mit einer Erklärung herauszurücken. ›Keine Sorge‹, sagte er irgendwann. ›Für den Plot ist das Kapitel nicht
Weitere Kostenlose Bücher