Joseph Anton
Sackgasse.
Bill rief an, halb amüsiert, halb empört. »Dein Gedicht«, sagte er. »Der Rat der Moscheen in Bradford will es verbieten lassen.« In einer der letzten Ausgaben von Granta hatte die Zeitschrift mit ihrer Anti-Lyrik-Haltung gebrochen und ein Gedicht veröffentlicht, in dem er beschrieb, wie er sich fühlte. Das Gedicht hieß ›6. März 1989‹ und endete mit Versen, die seine Entschlossenheit bekräftigten:
Nicht zu verstummen, zu singen, trotz aller Attacken
zu singen (meine Träume derweil ermordet von Fakten)
Loblieder für Schmetterlinge, aufgespießt in Schaukästen.
»Du willst nicht mehr mit mir zusammenleben, weil ich eine Schriftstellerin bin«, hatte Marianne in ihrer letzten Nachricht behauptet. »Du hast keinen Alleinanspruch auf Genialität.« Sie wollte ihre Ge schichte ›Auf der Flucht in Wales‹ (›Croesco i Gymru‹) veröffentli chen. Und sie wollte über die Bombe im Kaufhaus Liberty’s schreiben.
Er lebte mit und durch das Telefon, aber auch das konnte schwierige Neuigkeiten bringen. Anita Desai meldete sich aus Delhi und war bekümmert, wie ›inwärts gewandt‹ die Menschen wurden. Sie hatte ihre Freundin besucht, die Filmproduzentin Shama Habibullah, sowie deren Mutter Attia Hosain, die bekannte Autorin von Sonnenlicht auf zerborstenen Säulen , ehedem eine Freundin ihrer Mutter, und mittlerweile sechsundsiebzig Jahre alt. Attia beklagte sich, dass sie sehr unter den Folgen von Die satanischen Verse zu leiden habe. »Und in meinem Alter ist das einfach nicht fair.«
Mit Andrew und Gillon befand er sich ständig in Kontakt, denn seine Beziehung zu Viking verschlechterte sich rapide. Die Frage nach einer Veröffentlichung seines Romans als Taschenbuch kam auf, und wie es aussah, suchte Peter Mayer nach einem Weg, eine Taschenbuchausgabe umgehen zu können. Andrew und Gillon hatten um ein Treffen gebeten, und er hatte geantwortet, ein solches Treffen fände nur in Anwesenheit des Penguin-Anwalts Martin Garbus statt. Das war neu, dass es ein Treffen von Autor und Verleger – diesem Autor und diesem Verleger – nur in Gegenwart eines Anwalts geben konnte. Es war ein Zeichen dafür, wie breit die Kluft zwischen ihnen bereits geworden war.
Er rief Tony Lacey an, den Cheflektor bei Viking UK . Tony versuchte, ihn zu beruhigen, und sicherte ihm zu, dass alles in Ordnung sei. Er telefonierte mit Peter Mayer, konnte von seinem Verleger aber keine derartige Zusicherung erhalten. Er erklärte Peter, er habe mit dem Special Branch gesprochen und ihm sei der Rat gegeben worden, dass es am sichersten sei – am sichersten –, wenn sie das normale Procedere einhielten. Jede Abweichung von der Norm könnte von den Gegnern des Buches als Zeichen von Schwäche gedeutet werden und sie ermutigen, ihre Angriffsbemühungen zu verdoppeln. Wenn eine Taschenbuchausgabe neun bis zwölf Monate nach Erscheinen der gebundenen Ausgabe normal war, dann sollte man entsprechend vorgehen. »Uns wurde bezüglich unserer Sicherheit ein anderer Rat gegeben«, erwiderte Peter Mayer.
Sie wussten beide, damit ein Buch im Druck blieb, war die Taschenbuchausgabe von entscheidender Bedeutung. Erschien es nicht als Taschenbuch, kam der Zeitpunkt, an dem sich die gebundene Ausgabe nicht mehr verkaufte und aus den Läden verschwand. Gäbe es dann kein Taschenbuch, wäre der Roman faktisch vom Markt genommen und die Kampagne gegen das Buch erfolgreich. »Sie wissen, wofür wir kämpfen«, sagte er Mayer. »Es geht um die lange Sicht, und unterm Strich lautet die Frage: Werden Sie veröffentlichen oder nicht? Ja oder nein?« – »Was für eine barbarische Haltung«, erwiderte Mayer. »In solchen Kategorien kann ich nicht denken.«
Bald nach dieser Unterredung kam seltsamerweise der Observer mit einer Story heraus, die eine ziemlich genaue Wiedergabe der Argumente für und wider eine Taschenbuchausgabe brachte, wenn auch frisiert zugunsten von Penguins vorsichtiger Haltung. Vertreter Pen guins verneinten, mit der Zeitung zusammengearbeitet zu haben. Feuilletonchef Blake Morrison aber erzählte ihm, das Blatt habe eine ›Quelle‹ bei Penguin, und er glaube, Zweck des Artikels sei es, die Taschenbuchausgabe zu vereiteln. Es hatte ganz den Anschein, als hätte ein schmutziger Krieg begonnen.
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Peter Mayer – ein großer, knuddeliger, zauselköpfiger Bär von einem Mann, bekannt dafür, dass Frauen ihn attraktiv fanden, ein Mann mit sanfter Stimme, rehbraunen Augen, von Verlegerkollegen be wundert und jetzt
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