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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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würde, hatte stets geglaubt, das Gillon und Andrew für immer seine Agenten blieben. »Okay, danke«, sagte er zu Gillon. »Aber was mich betrifft, hat sich zwischen uns nichts geändert.«
    »Lass uns bald mal zusammen Mittagessen gehen«, sagte Gillon, und das war’s.
    *
    Italien hatte die EU -Ratspräsidentschaft übernommen und wollte sämtliche EU -Mitglieder dazu bewegen, einem gemeinsam von der EU und dem Iran unterzeichneten Brief zuzustimmen, der die Fatwafür ewig gültig erklärte. Als Gegenleistung sollte der Iran in einem kurzen Statement versichern, dass sie niemals vollstreckt werden sollte. Frances D’Souzas Quellen hatten durchblicken lassen, dass die Troika der EU -Außen- und Sicherheitspolitik nach Teheran reisen wollte, um über Terrorismus zu debattieren, und sich weigerte, das Thema Fatwaanzusprechen, ehe man diesem Text nicht zugestimmt habe – sollte heißen, ehe er ihm nicht zugestimmt hatte. Die britische Regierung blieb hart, fürchtete jedoch, isoliert zu werden. Er bat Frances, ihre Quellen in Kenntnis zu setzen, dass er nicht sieben Jahre lang gekämpft habe, damit die Europäische Union einem extraterritorialen Mordbefehl zustimmte. Nicht in einer Million Jahren würde er einer solchen Erklärung zustimmen. »Diese opportunistischen Arschlöcher können mich mal«, sagte er. So ein schmutziges Spielchen würde er nicht mitspielen.
    Der ›italienische Brief‹ wurde nie unterzeichnet.
    *
    Er sprach mit Gail Rebuck von Random House darüber, ob sie nicht das Taschenbuch von Die satanischen Verse übernehmen wolle. Sie meinte, inzwischen sei Alberto Vitale wohl dafür ›empfänglich‹, doch sie müsse ein paar Zusicherungen wegen der Sicherheit haben. Er schlug ihr und Caroline Michel vor, sie sollten sich bei sämtlichen europäischen Verlegern der übersetzten Taschenbuchausgabe sowie dem Vertrieb des britischen Konsortiums nach eventuell getroffenen Sicherheitsmaßnahmen erkundigen und ein Treffen mit Helen Hammington, Dick Wood und Rab Connolly organisieren, um deren Einschätzung zu bekommen. Stückchen für Stückchen , dachte er. Wir werden es schon schaffen, aber es ist so quälend langsam.
    Elizabeth erfuhr, dass ihre Cousine Carol Knibb, die sie nach dem Tod ihrer Mutter aufgezogen hatte, an chronischer lymphatischer Leukämie litt, gegen die auch Edward Said in New York kämpfte. Elizabeth war zutiefst erschüttert. Carol war ihr Familienersatz. Er war ebenfalls tieftraurig. Carol war eine liebe, herzensgute Frau. »Dieser Krebs lässt sich bekämpfen«, sagte er zu Elizabeth. »Wir können ihr dabei helfen. Sie sollte mit Edwards Arzt Kanti Rai auf Long Island sprechen.«
    Der Tod traf alle Menschen gleich. Zwei Wochen nach der Nachricht von Carols Krebs erhielt er die Nachricht von einem Tod, den er nicht betrauern konnte. Kalim Siddiqui, dieser heimtückische Wicht, hatte seine letzte Drohung ausgegeben. Er hatte an einer Konferenz im südafrikanischen Pretoria teilgenommen und einen Herzinfarkt erlitten. Es stellte sich heraus, dass er vor kurzem eine Bypassoperation bekommen hatte, die ihn aber, statt vernünftigerweise kürzerzutreten, nicht davon abgehalten hatte, weiter herumzukrakeelen. Man konnte also sagen, er hatte sein Ende gewählt. Hätte keinem Besseren passieren können , dachte er, enthielt sich jedoch jeglichen Kommentars.
    Michael Foot rief hocherfreut an. »Wie heißt der muslimische Gott noch mal? Deren Gott, wie nennen die den?« Allah, Michael. »Ach ja, genau, Allah, richtig. Tja, offensichtlich hatte der für den alten Siddiqui nicht besonders viel übrig, was? Hm?« Hereinspaziert, Dr. Siddiqui, Ihre Zeit ist um.
    Elizabeth kam von einem Besuch bei Carol in Derbyshire zurück und freute sich über die Nachricht von Siddiquis Abgang. Sie hatte auch den Abstract seines neuen Romans Der Boden unter ihren Füßen gelesen und war derart begeistert, dass sich die Kluft zwischen ihnen schloss und vergessen war. Und am nächsten Tag – offenbar durfte er nicht allzu lange glücklich sein – wurde er in die Spitzelzentrale gebracht, um mit ein paar wirklich beängstigenden Neuigkeiten vertraut gemacht zu werden.
    Es war nie sonderlich beruhigend, die riesige, sandfarbene Festung am Fluss zu betreten, und daran konnte auch die unsägliche Weihnachtsbaumdeko nichts ändern; wenn er hierherkam, dann nicht, um gute Laune zu kriegen. Heute begegnete er in einem anonymen Sitzungssaal dem Nachmittag und dem Morgen, Mr P——— M——— und Mr A———

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