Joseph Anton
M———, dem Antiterrorismuschef für den Nahen Osten und dem Leiter der Iran-Abteilung. Rab Connolly und Dick Wood waren ebenfalls da, in ›Zuhörerfunkion‹. »Wie die Geheimdienste jetzt wissen«, hob AM an, »hat der Iran, und damit meinen wir den obersten Führer des Iran, Khamenei, und den Geheimdienstminister Fallahian , einen Langzeitplan auf den Weg gebracht, Sie zu finden und zu töten. Sie sind bereit, dafür sehr viel Zeit und Geld zu investieren. Möglicherweise besteht der Plan bereits seit zwei Jahren, doch haben wir uns seiner Existenz erst in den letzten Monaten versichern können.« – »Es ist unsere Pflicht, Sie darüber in Kenntnis zu setzen«, sagte PM . »Und deshalb treffen wir Sie heute unter unseren richtigen Namen.«
Während Mr Morning und Mr Afternoon ihm die Hiobsbotschaft überbrachten, wartete er angespannt darauf, dass sie ihm eröffneten, der Feind habe sein Haus ausfindig gemacht. Doch das war nicht der Fall. Sollte dies jedoch passieren, wäre das äußerst alarmierend, sagte Mr Morning. Es würde auf jeden Fall bedeuten, dass er für den Rest seines Lebens Polizeischutz bekäme.
Er äußerte seine Furcht um Zafar, Elizabeth, Sameen, seine Mutter in Karatschi. »Es gibt keine Hinweise darauf, dass irgendjemand aus Ihrem Familien- oder Freundeskreis im Fadenkreuz steht«, sagte Mr Afternoon. »Nicht einmal, um an Sie heranzukommen. Sie hingegen bleiben Ziel Nummer eins.«
»Es glaubhaft abzustreiten ist für die Iraner von höchster Bedeutung«, sagte Mr Morning. »Weil sie in den letzten Jahren so stark unter politischen Beschuss geraten sind.« Shapur Bakhtiar, die Mykonos-Morde . »Höchstwahrscheinlich würden sie keine Iraner mit der Ausführung beauftragen. Aber es wird noch Monate oder gar Jahre dauern, bis sie Waffen per Diplomatenpost oder Leute ins Land geschleust kriegen«, sagte Mr Afternoon, um ihn ein wenig zu beschwichtigen.
Dies war seine schlimmste Befürchtung gewesen: Ein langfristig angelegter Anschlag im Stil von Bakhtiar. Mr Morning und Mr Afternoon vermochten nicht zu sagen, wie sich eine politische Einigung mit dem Iran auf diesen Plan auswirken könnte. Sie gingen davon aus, dass das iranische Außenministerium möglicherweise gar nicht im Bilde sei. »Nur eine winzig kleine Gruppe innerhalb des Geheimdienstministeriums ist eingeweiht«, sagte Mr Morning. »Womöglich gibt es sogar Leute im Ministerium, die diesen Plan gern vereiteln würden«, sagte Mr Afternoon, »aber Fallahian und Khamenei scheinen wild entschlossen zu sein, die Fatwa auszuführen, und Rafsandschani weiß möglicherweise ebenfalls Bescheid.«
Die gute Nachricht war, dass sein Aufenthaltsort noch nicht ausfindig gemacht worden war und sich die Bedrohung durch die ›Gemeinschaft insgesamt‹, so Mr Afternoon und Mr Morning, verflüchtigt habe. »Und nun«, sagte Mr Morning und ließ unter seiner zuvorkommenden Art den Stahl aufblitzen, »können wir alles daransetzen, diesen Plan zu durchkreuzen, mit einer riesigen zerstörerischen Faust dreinzuschlagen und für so heftige politische Konsequenzen zu sorgen, dass es solch einen Plan nie wieder geben wird.«
Vielleicht will er mich nur ein wenig aufrichten , dachte er, aber es funktioniert. Die Idee von der Faust gefällt mir.
Was die übrige Welt betraf, geriet die Fatwa-Geschichte in Vergessenheit. Die Zeitungen berichteten nicht mehr darüber, und er trat immer wieder in Erscheinung, besuchte Freunde, aß in Restaurants und tauchte in verschiedenen Ländern auf, um sein neues Buch zu bewerben. Die meisten Leute glaubten, die Bedrohung sei nicht mehr vorhanden, und viele Kommentatoren gingen davon aus, dass der Schutz nur noch aufrechterhalten wurde, weil er darauf bestand – und das nicht, weil es nötig war, sondern weil es sein riesiges Ego befriedigte. Und gerade jetzt, da auch das letzte Fitzelchen öffentlicher Sympathie davonwehte, eröffnete man ihm, dass die Gefahr größer war denn je, dass man ihm ernsthafter als vermutet nach dem Leben trachtete. Und er durfte noch nicht einmal darüber reden. Mr Morning und Mr Afternoon hatten darüber keinen Zweifel gelassen.
*
Andrew hatte für ihn ein Haus zur Miete auf Long Island gefunden, das sehr abgeschieden in den Hügeln oberhalb von Bridgehampton im Little Noyac Path lag. Sie könnten es auf Elizabeths Namen mieten und für zwei Monate haben. Also gut, sagte er, auf geht’s. Er hatte beschlossen, an seinem stückweisen Freiheitsrückeroberungsplan fest zuhalten.
Weitere Kostenlose Bücher