Joseph Anton
zwischen ihnen hatte sich nicht gelegt.
In Paris warteten les Gentilhommes du RAID mit den üblichen Tricks auf. Vor dem Hôtel de l’Abbaye unweit von Saint-Sulpice sperrten sie die gesamte Straße. Sie verweigerten ihm, sich an irgendeinem öffentlichen Ort zu zeigen. »Wenn ihm das nicht passt, braucht er ja nicht zu kommen«, teilten sie seinem französischen Verleger mit. Doch die gute Neuigkeit war, dass das Buch mit offenen Armen aufgenommen wurde und sich mit Umberto Ecos neuestem Roman und dem Pferdeflüsterer einen Kampf um den ersten Platz in der Bestsellerliste lieferte. Es fanden auch politische Treffen mit dem Außenminister Hervé de Charrette und dem Kultusminister Philippe Douste-Blazy statt. Chez Bernard-Henri Lévy traf er den großen alten Mann des Kinos und des nouveau roman , Alain Robbe-Grillet, dessen Roman La Jalousie und Drehbuch für L’Année Dernière à Marienbad er sehr bewunderte. Robbe-Grillet plante, am Ende des Jahres einen Film in Kambodscha zu drehen, mit Jean-Louis Trintignant und BHL s Frau Arielle Dombasle. Trintignant sollte einen Piloten spielen, der im kambodschanischen Dschungel abstürzt und im darauffolgenden Delirium Arielle-Fantasien hat, während er in einem Urwalddorf von einem médecin assez sinistre gepflegt wird. Die Rolle des unheimlichen Doktors ist perfekt für Sie, Salman, sagte Robbe-Grillet begeistert. Zwei Wochen Kambodscha im Dezember! Philippe Douste-Blazy wird sich um alles kümmern! (Douste-Blazy, der ebenfalls zugegen war, nickte zustimmend und entschuldigte sich auch für die RAID -Überreaktion. »Bei Ihrem nächsten Besuch wird es lediglich zwei Sicherheitsleute geben.«) Er fragte Robbe-Grillet, ob er einen Blick auf das Drehbuch werfen dürfe, und Robbe-Grillet nickte ungeduldig, ja, selbstverständlich, selbstverständlich, aber Sie müssen mitmachen! Es wird fantastisch! Der Doktor, das sind Sie!
Er bekam nie ein Drehbuch. Der Film wurde nie gemacht.
Noch etwas passierte in Paris. Eines Nachmittags leistete ihm Jack Langs bezaubernde und wunderschöne Tochter Caroline Lang im Hôtel de l’Abbaye Gesellschaft, und wegen ihrer Schönheit und des Weines und der Schwierigkeiten mit Elizabeth wurden sie ein Liebespaar und beschlossen gleich darauf, es nie mehr zu sein und Freunde zu bleiben. Nach ihren wenigen gemeinsamen Stunden musste er in Bernard Pivots Fernsehsendung Bouillon de Culture auftreten und spürte, dass das Gefühlschaos ob seiner Untreue ihn eine ziemlich schlechte Figur machen ließ.
*
Andrew Wylie und Gillon hatten das Ende der Fahnenstange erreicht und beschlossen, ihre Zusammenarbeit aufzukündigen. Erregt, verärgert und vor allem betrübt kam Andrew zu ihm. »Mir ist klargeworden«, sagte Andrew traurig und zornig, »dass Gillon nie mein Partner gewesen ist. Brian Stone ist Gillons Partner.« Brian war ihr Teilhaber gewesen und hatte als Agent den Nachlass von Agatha Christie betreut. »Auf dem Namensschild der Londoner Agentur steht noch AITKEN & STONE «, sagte Andrew bitter. Bei ihrem Streit war es um Geld gegangen, aber auch um ihre unterschiedlichen Vorstellungen. Andrew hatte hochfliegende, expansionistische Träume, Gillon hingegen war zurückhaltend und in Gelddingen sehr besonnen. Es war keine güt liche Trennung gewesen; eine hässliche Scheidung, wie die meisten Scheidungen. Andrew war wie ein geschasster Liebhaber, höhnisch und verzweifelt zugleich.
Der Bruch seiner Agenten bestürzte ihn. Gillon und Andrew waren in den letzten Jahren zwei unentbehrliche Stützen gewesen, auf die er sich blind verlassen hatte. Keiner der beiden hatte angesichts der islamischen Attacke auch nur mit der Wimper gezuckt, und durch ihren Mut hatten sich viele Verleger zu mehr Entschlossenheit hinreißen lassen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Er konnte sich nicht vorstellen, ohne einen der beiden auszukommen; doch jetzt würde er sich entscheiden müssen, obgleich Gillon ihm die Wahl großmütig zu erleichtern versuchte und ihn am nächsten Tag anrief. »Mein Lieber, es ist ganz klar, dass du bei Andrew bleiben musst. Er war zuerst dein Agent, er hat dich zu mir gebracht, und natürlich musst du bei ihm bleiben, gar keine Frage.«
Sie hatten so viel zusammen durchgemacht und erreicht. Ihre Beziehung hatte sich weit über die normale Autor-Agenten-Herzlichkeit hinaus entwickelt. Sie waren enge Freunde geworden. Und dennoch würde er Gillon jetzt verlieren. Er hätte niemals für möglich gehalten, dass dieser Tag kommen
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