Joseph Anton
Glazebrook angeheuert. Sonny Mehta war so großzügig, den Löwenanteil der Kosten zu übernehmen, doch auch die Veranstalter und er selbst trugen ihren Teil bei. Sonny begleitete ihn und schmiss rauschende Partys in Miami (wo ausschließlich Krimiautoren zu leben schienen und wo Carl Hiaasen, nachdem er ihn gebeten hatte, ein paar Worte zu Miami zu sagen, tief Luft holte und eine zweistündige Hochgeschwindigkeitsvorlesung in lokalen Politkungeleien hielt) und in San Francisco (wo Czesław Miłosz, Robin Williams, Jerry Brown, Linda Ronstadt und Angela Davis unter den Gästen waren). Es waren recht heimlichtuerische Veranstaltungen, die Gäste wurden bis zuletzt im Dunkeln gelassen, wo sie stattfanden und um welchen Autor es sich tatsächlich handelte. Die Hautevolee von Miami und San Francisco wurde von den Sicherheitsleuten gefilzt, um sicherzugehen, dass niemand vorhatte, sein Konto mit dem Kopfgeld aufzubessern.
Sonny und ihm blieb sogar die Zeit für ein Wochenende in Key West, wo Gita Mehta zu ihnen stieß und wieder ganz die gut gelaunte, redselige Alte war. Er überlegte, ob diese ungewöhnliche und kostspielige Lesereise Sonnys wortlose Entschuldigung für die Schwierigkeiten war, die er ihm bei Harun und das Meer der Erinnerungen gemacht hatte, und er war froh, Vergangenes zu vergessen. Einen Tag nach seiner Rückkehr nach London gewann Des Mauren letzter Seufzer einen British Book Award, einen ›Nibbie‹ als ›Autor des Jahres‹. (Den Preis für das Buch des Jahres gewann die Kochbuchautorin Delia Smith, die in ihrer Dankesrede kurioserweise in der dritten Person von sich sprach: »Danke, dass Sie ein Delia-Smith-Buch ausgezeichnet haben.«) Als sein Preis verkündet wurde, brach großer Jubel los. Es gibt auch ein England, das auf meiner Seite ist, das darf ich nicht vergessen , sagte er sich. Angesichts der ständigen Angriffe auf seine Person in den Zeitungen, denen er inzwischen den Sammelnamen Daily Insult gegeben hatte, wäre es einfach, aber falsch gewesen, es zu tun.
*
Zurück in der Bishop’s Avenue, fiel es ihm schwer, sich wieder an das Leben mit der Polizei zu gewöhnen. Abends schlossen sie die Türen ab, morgens aber nicht wieder auf. Beharrlich zogen sie die Vorhänge vor, aber nicht wieder zurück. Die Stühle, auf denen sie saßen, brachen unter ihrem Gewicht zusammen, und der Holzboden im Eingang ächzte unter ihren Schritten. Es war der siebte Jahrestag der Fatwa. Keine britische Zeitung veröffentlichte ein wohlwollendes oder anerkennendes Wort. Es war eine alte, öde, pointenlose Story; keine Nachricht wert. Er schrieb einen Artikel für die Times , in dem er darzulegen versuchte, dass das Ziel der Fatwavereitelt worden sei, auch wenn die Fatwaselbst noch bestehe: Das Buch sei nicht besiegt worden, und sein Autor ebenso wenig. Er dachte an die Zeit der Angst und der Selbstzensur, die die Fatwaheraufbeschworen hatte – als Oxford University Press sich geweigert hatte, in einem Englischbuch einen Auszug aus Mitternachtskinder abzudrucken mit der Begründung, es sei ›zu heikel‹; als der ägyptische Schriftsteller Alaa Hamed (zusammen mit seinem Verleger und seinem Drucker) zu acht Jahren Haft verurteilt worden war, weil er einen Roman namens A Distance in a Man’s Mind geschrieben hatte, der als Bedrohung für den sozialen Frieden und die nationale Einheit befunden wurde; als westliche Verleger offen darüber sprachen, Texte, die als islamkritisch wahrgenommen werden könnten, zu meiden –, und er mochte seinem eigenen Artikel nicht glauben. Es hatte ein paar kleine Erfolge gegeben, doch der echte Sieg stand noch lange aus.
Er versuchte, mit Elizabeth über Amerika zu reden. Dort würden sie nicht mit vier Polizisten und dem ständigen Vorwurf leben müssen, sie kosteten das Land Unsummen, ohne ihm einen Dienst erwiesen zu haben. In den vergangenen Sommern hatten sie diese Freiheit kosten dürfen; es könnte noch viel mehr davon geben. Jedes Mal, wenn er das Thema ansprach, wurde sie grantig und weigerte sich, darüber zu sprechen. Ihm dämmerte, dass sie Angst vor der Freiheit hatte, zumindest vor der Freiheit mit ihm. Einzig in ihrer geschützten Blase fühlte sie sich sicher. Wenn er darauf bestand, diese zu verlassen, konnte es durchaus sein, dass sie nicht mitzog. Zum ersten Mal (und zu seinem eigenen Schrecken) fing er an, an ein Leben ohne sie zu denken. Er flog nach Paris, um die französische Ausgabe von Des Mauren letzter Seufzer vorzustellen; die Spannung
Weitere Kostenlose Bücher