Joseph Anton

scheiden, verheiratete sich umso glücklicher und wurde ein erfolgreicher Autor von Büchern über das Essen. Nigella Lawson wurde eine extrem erfolgreiche Autorin von Büchern über das Essen und heiratete den Kunstsammler Charles Saatchi. Frances D’Souza wurde Baroness und 2011 zum Lord Speaker des House of Lords gewählt. William Nygaard ging in den Ruhestand, und sein Sohn Mas übernahm seinen Posten bei Aschehoug. Marianne Wiggins lehrte Literatur an der University of Southern California. James Fenton und Darryl Pinckney zogen von der Long Leys Farm nach New York. Pauline Melville wurde in ihrem Haus in Highbury Hill von einem mörderischen Eindringling angegriffen, konnte sich jedoch befreien und durch das Fenster fliehen. Der Eindringling wurde gefasst und hinter Gitter gebracht. Das menschliche Leben ging weiter. Alles lief so gut, wie es immer gelaufen war, und weitaus besser, als er an dem schwarzen Valentinstag 1989 zu hoffen gewagt hatte.
    Nicht alles ging gut aus. Im August 1995 erlitt Robin Cook auf einem Berg in den schottischen Highlands einen tödlichen Herzinfarkt.
    Und was war mit seiner Illusion, seinem Freiheitsphantom? Am 24. März 2002 nahm er Padma am Tag der Oscarverleihung mit zum Vanity-Fair- Abendessen mit anschließender Party. Als sie im Morton’s ankamen und sie für die menschliche Wand aus schreienden Fotografen posierte und Pirouetten drehte und im blendenden Feuer ihrer Jugend und Schönheit erstrahlte, überkam ihm beim Anblick ihres Gesichtsausdruckes der jähe Gedanke: Sie hat Sex, Sex mit Hunderten von Männern gleichzeitig, dabei berühren sie sie noch nicht einmal. Damit kann kein Mann aus Fleisch und Blut mithalten. Und am Ende verlor er sie, doch war es besser, seine Illusionen zu verlieren und in der Gewissheit zu leben, dass die Welt Wirklichkeit war und keine Frau die Welt zu dem machen konnte, was er sich wünschte. Das konnte nur er.
    *
    Zwei Tage nach den Oscars flog er nach London zurück und wurde am Flugzeug von Nick Cottage, einem warmherzigen Special-Branch-Beamten mit einem altmodischen Schnurrbart, empfangen, der ihm mitteilte, der höhere Beamte Bob Sait, seinerseits ebenfalls Träger eines stattlichen Lord-Kitchener-Oberlippenbarts, wolle ihn am nächsten Morgen aufsuchen. »Wenn ich Sie wäre«, fügte Nick geheimnisvoll hinzu, »würde ich mir für den Rest des Tages was vornehmen.« Er mochte nicht erklären, was er damit meinte, sondern lächelte nur ein rätselhaftes geheimpolizeiliches Lächeln.
    Er wurde zum Halcyon Hotel in Holland Park gefahren, einem eleganten rosafarbenen Gebäude, in dem er eine Suite gebucht hatte. Nach der einjährigen Untervermietung war das Haus in den Pembridge Mews wieder an Jason Donovan zurückgegangen. Ehe er zur Oscarverleihung nach L. A. geflogen war, hatte er ein neues Haus in Notting Hill gefunden, in den Colville Mews, gegenüber dem boomenden Modehaus der jungen Designerin Alice Temperley. Das neue Haus würde in ein paar Wochen fertig sein, und so hatte er seine Habseligkeiten eingelagert und sich vorübergehend – zunächst für zwei Tage – im Halcyon eingemietet. Am nächsten Tag würden Milans Osterferien beginnen, und er hatte mit den beiden Jungs eine Woche Frankreich geplant. Sie würden zu Freunden nach Courtoin im Burgund fahren und auf dem Rückweg Paris und EuroDisney besuchen.
    Am Mittwoch, dem 27. März 2002, um Punkt zehn Uhr morgens, kamen Bob Sait und Nick Cottage zu ihm ins Halcyon Hotel. »Tja, Joe«, sagte Sait, »Verzeihung – Salman«, korrigierte er sich, »wie Sie wissen, haben wir Ihren Personenschutz auf Anraten des Geheim dienstes so lange aufrechterhalten, bis man es an der Zeit fand, die Gefahreneinschätzung für Ihre Person herunterzustufen.«
    »Das war schon schräg, Bob«, sagte er. »In Amerika habe ich jahrelang wie ein ganz normaler Bürger gelebt, doch wenn ich zurückgekommen bin, haben Sie darauf bestanden, alles beim Alten zu lassen …«
    »Na, dann hoffe ich, dass Sie sich freuen werden«, sagte Bob. »Die Gefahrenstufe ist drastisch gesenkt worden, und normalerweise würde niemand auf dieser Stufe von uns Personenschutz erhalten.«
    Sein Herz begann zu pochen, doch er versuchte gelassen zu wirken. »Verstehe«, sagte er. »Das heißt, Sie stellen den Schutz ein.«
    »Ich wollte Ihnen lediglich die Gelegenheit geben, zu sagen, ob das für Sie akzeptabel wäre. Wäre es korrekt, zu sagen, dass es Ihrer Ar gumentation entspräche?«
    »Ja, das wäre es, und ja, es wäre