Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
er sogleich seinen Fund der Lea zu, seiner Mutter, und lief springend nach Hause, ihn ihr zu bringen.
Lea freute sich sehr. Sie lobte den Ältesten mit Schmeichelworten, gab ihm Datteln in die Faust und ermahnte ihn, vorm Vater und auch vorm Großvater nicht groß von der Sache zu schwatzen. »Schweigen ist nicht lügen«, sagte sie, und es sei unnötig, daß alle gleich wüßten, was man im Hause habe, – genug, daß alle ein Gutes davon spüren würden. »Ich will’s schon warten«, beschloß sie, »und ihm entlocken, was es zu bieten hat. Danke, Ruben, mein Erster, du Sohn der Ersten, Dank, daß du ihrer gedachtest! Andere gibt es, die gedenken nicht ihrer. Von ihnen hast du das Gelingen. Spring nun deiner Wege!«
Somit entließ sie ihn und meinte, ihren Schatz für sich zu behalten. Rahel aber, ihre Schwester, hatte spioniert und alles gesehen. Wer spionierte wohl später auch so und plapperte sich fast um den Hals? Es lag in ihr, nebst vieler Anmut, und an ihr Fleisch und Blut gab sie’s weiter. Sie sagte zu Lea:
»Was hat dir denn unser Sohn gebracht?«
»Mein Sohn«, sagte Lea, »hat mir fast nichts gebracht, oder irgend etwas. Warst du hier zufällig in der Nähe? Er hat mir einen Käfer gebracht in seiner Narrheit und ein buntes Steinchen.«
»Er hat dir ja ein Erdmännchen mit Kraut und Früchten gebracht«, sagte Rahel.
»Allerdings, das auch«, erwiderte Lea. »Hier ist es. Du siehst, es ist feist und lustig. Mein Sohn hat es mir gefunden.«
»Ach ja, du hast recht, nun sehe einer, wie feist und lustig es ist!« rief Rahel. »Und wieviele Dudaim es trägt, voll von Samen!« Sie hatte schon die gestreckten Hände neben ihrem hübschen Gesicht zusammengefügt, die Wange daran lehnend. Es fehlte nur, daß sie die Hände nach vorn getan und damit gebettelt hätte. Sie fragte:
»Was willst du machen damit?«
»Ich will ihm natürlich ein Hemdlein anlegen«, antwortete Lea, »nachdem ich es gewaschen und gesalbt, und es in ein Gehäuse tun und seiner treulich warten, damit es dem Hause fromme. Es wird das Gelichter der Lüfte verscheuchen, daß keines davon in einen Menschen fahre oder in ein Vieh des Stalles. Es wird uns das Wetter künden und Dinge erforschen, die gegenwärtig verborgen sind oder noch in der Zukunft liegen. Es wird stichfest machen die Männer, wenn ich’s ihnen zustecke, wird ihnen Gewinn bringen im Gewerbe und es anstellen, daß sie recht bekommen vorm Richter, selbst wenn sie im Unrecht sind.«
»Was redest du?« sagte Rahel. »Ich weiß von selbst, daß es dazu nütze ist. Was willst du aber sonst damit tun?«
»Ich will ihm das Kraut und die Dudaim scheren«, erwiderte Lea, »und einen Sud daraus machen, der schläfert ein, wenn einer nur daran riecht, und riecht er lange, so raubt’s ihm die Sprache. Das ist ein starker Aufguß, mein Kind, wer davon einnimmt überreichlich, ob Mann oder Weib, der stirbt des Todes, ein wenig aber ist gut gegen Schlangenbiß, und muß einer sich schneiden lassen am Fleische, so ist’s, als wär’s eines anderen Fleisch.«
»Das ist ja alles ganz nebensächlich«, rief Rahel, »und was dir im Sinne liegt allererst, davon redest du nicht! Ach, Schwesterlein Lea«, rief sie und fing an zu schmeicheln und mit den Händen zu betteln wie ein kleines Kind, »Äderchen meines Auges, du stattlichste unter den Töchtern! Gib mir von den Dudaim deines Sohnes einen Teil, daß ich fruchtbar werde, denn die Enttäuschung, daß ich’s nicht werde, gräbt mir das Leben ab, und so bitterlich schäme ich mich meines Minderwertes! Siehe, du weißt, meine Hindin, Goldhaarige unter den Schwarzköpfen, was es auf sich hat mit dem Sud, und wie er es antut den Männern, und ist wie Himmelswasser auf die Dürre der Weiber, daß sie selig empfangen und niederkommen mit Leichtigkeit! Du hast sechs Söhne im ganzen, und ich habe zwei, die nicht mein sind, was sollen dir da die Dudaim? Gib sie mir, meine Wildeselin, wenn nicht alle, so doch einige bloß, daß ich dich segne und dir zu Füßen falle, denn mein Verlangen danach ist fieberhaft!«
Lea aber drückte die Alraune an ihre Brust und sah die Schwester mit drohend schielenden Augen an.
»Das ist doch stark«, sagte sie. »Kommt daher, die Liebste, und hat gekundschaftet und will meine Dudaim. Hast du nicht genug, daß du mir meinen Mann nimmst täglich und stündlich, und willst obendrein noch die Dudaim meines Sohnes? Es ist unverschämt.«
»Mußt du so häßlich reden«, versetzte Rahel, »und will es
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