Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
dir gar nicht anders gelingen, auch wenn du dich bemühst? Bringe mich doch nicht außer mir, indem du alles entstellst, da ich zärtlich mit dir sein möchte um unserer Kindheit willen! Ich hätte dir Jaakob genommen, unseren Mann? Du hast ihn mir genommen in der heiligen Nacht, da du dich heimlich zu ihm tatest statt meiner, und er flößte dir blindlings den Ruben ein, den ich hätte empfangen sollen. So wäre er mein Sohn jetzt, wenn es recht zugegangen wäre, und hätte mir gebracht Kraut und Rübe, und wenn du mich angingest um etwas davon, so gäbe ich dir.«
»Ei, was du sagst!« sprach Lea. »Hättest du wahrlich empfangen meinen Sohn? Warum hast du denn seitdem nicht empfangen und willst nun zaubern in deiner Not? Nichts gäbest du mir, ich weiß es genau! Hast du je, wenn Jaakob dir schön tat und wollte dich zu sich nehmen, zu ihm gesprochen: ›Lieber, gedenke doch auch der Schwester!‹? Nein, sondern schmachtetest hin und gabst ihm gleich deine Brüste zu spielen, und war dir um nichts zu tun als um deine Buhlschaft. Jetzt aber bettelst du: ›Ich gäbe dir‹!«
»Ach, wie häßlich!« erwiderte darauf Rahel. »Wie abstoßend häßlich ist es, was du deiner Natur nach zu reden gezwungen bist, – ich leide darunter, aber auch du tust mir leid um deinetwillen. Es ist ja ein Fluch, alles entstellen zu müssen, wenn man nur den Mund auftut. Daß ich Jaakob nicht zu dir schickte, wenn er ruhen wollte bei mir, das war keineswegs, weil ich ihn dir nicht gönnte, sein Gott und unseres Vaters Götter sind meine Zeugen! Sondern unfruchtbar bin ich ihm ins neunte Jahr zu meiner Trostlosigkeit, und jede Nacht, da er mich erwählt, hoffe ich inbrünstig auf Segen und darf’s nicht versäumen. Du aber, die du’s leichtlich versäumen magst ein und das andere Mal, was hast du im Sinne? Du willst ihn bezaubern für dich mit den Dudaim und mir nicht davon geben, so daß er mein vergißt und du alles hast und ich nichts. Denn ich hatte seine Liebe, und du hattest die Frucht, so gab es noch eine Art von Gerechtigkeit. Du aber willst beides haben, so Liebe wie Frucht, und ich soll Staub essen. So gedenkst du der Schwester!«
Und sie setzte sich auf die Erde und weinte laut.
»Ich nehme nun meines Sohnes Erdmännlein und gehe von hinnen«, sprach Lea kalt.
Da sprang Rahel auf, vergaß ihre Tränen und rief halblaut und inständig:
»Tu das bei Gott nicht, sondern bleib und höre! Er will mit mir sein diese Nacht, er hat es morgens gesagt, als er von mir ging. ›Süßeste‹, sprach er, ›danke für diesmal! Heut will der Weizen geschnitten sein, aber nach des Feldtages Arbeitsglut will ich kommen, du Liebste, und mich baden in deiner Mondesmilde.‹ Ach, wie er spricht, unser Mann! Bildlich und weihevoll ist seine Rede. Lieben wir ihn nicht beide? Ich aber lasse ihn dir die Nacht um die Dudaim. Ausdrücklich laß ich ihn dir, wenn du mir einige gibst, und verberge mich abseits, während du sprechen sollst: ›Rahel mag nicht und ist satt des Geschnäbels. Bei mir, sagt sie, sollst du schlafen.‹«
Lea errötete und erblaßte.
»Ist das wahr«, sprach sie stockend, »und willst du ihn mir verkaufen um die Dudaim meines Sohnes, daß ich soll zu ihm sagen können: ›Heut bist du mein‹?«
Antwortete Rahel:
»Du sagst es genau.«
Da gab Lea ihr die Alraune, Kraut und Rübe, alles zusammen, gab sie ihr in die Hand vor Eile und sprach flüsternd mit wogender Brust:
»Nimm, geh und laß dich nicht blicken!«
Sie selbst aber, da Feierabend ward und die Leute vom Felde kamen, ging dem Jaakob entgegen und sprach:
»Bei mir sollst du liegen zur Nacht, denn unser Sohn fand eine Schildkröte, die bettelte Rahel mir ab um diesen Preis.«
Jaakob antwortete:
»Ei, bin ich wohl eine Schildkröte wert und ein geflammtes Kästchen, das sich gewinnen läßt aus ihrer Schale? Ich erinnere mich nicht, gar so fest entschlossen gewesen zu sein, heute bei Rahel zu wohnen. So hat sie das Gewisse erkauft für das Ungewisse, was ich loben muß. Seid ihr einig in meinem Betreff, so soll’s also sein. Denn wider Weibesrat soll der Mann sich nicht setzen, noch löcken wider der Frauen Beschluß und Befinden.«
SIEBENTES HAUPTSTÜCK
RAHEL
Das Öl-Orakel
Es war Dina, das Frätzchen, die damals erzeugt wurde, – ein unglückliches Kind. Lea’s Leib aber ward neu eröffnet durch sie; nach vierjähriger Pause kam die Rüstige wieder in Zug. Im zehnten Ehejahr gebar sie Issakhar, den knochigen Esel, im elften den Sebulun, der
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