Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Zuziehung Silpa’s den Kindersegen aufzufrischen. Er fand Befreiung dafür bei Rahel, die solche nicht weigern konnte, zumal auch die hochbusige Silpa, die eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Herrin besaß und es denn auch nie zu wirklicher Gunst bei Jaakob brachte, sich fußfällig bei ihr, der Liebsten, entschuldigte. Da empfing Lea’s Magd den Herrn mit Demut und sklavischer Emsigkeit, ward schwanger und gebar auf den Knien der Herrin, die ihr seufzen half. Im siebenten Ehejahr, dem vierzehnten von Jaakobs Labanszeit, gebar sie den Gad und befahl ihn dem Glücke; dazu im achten und fünfzehnten den naschhaften Ascher. So hatte Jaakob acht Söhne.
In diese Zeit, da Ascher geboren war, fiel das Vorkommnis mit den Dudaim. Es war Re’uben, der das Glück hatte, sie zu finden, – schon achtjährig damals, ein dunkler, muskulöser Knabe mit entzündeten Augenlidern. Er beteiligte sich bereits an den frühsommerlichen Erntearbeiten, zu denen auch Laban und Jaakob von der Schafschur hereingekommen waren und die das Hofvolk zuzüglich einiger vorübergehend angestellter Lohnarbeiter streng in Atem hielten. Laban, der Schafzüchter, dessen landwirtschaftliche Betätigung sich bei Jaakobs erstem Eintreffen auf die Bestellung eines Sesamfeldes beschränkt hatte, baute seit dem Wasserfunde auch Gerste, Hirse, Emmer und namentlich Weizen: sein Weizenfeld, von einem Lehmzaun eingefaßt, von Gräben und Dämmen durchzogen, war der bedeutendste seiner Äcker. Sechs Morgen groß, wölbte er sich über eine flache Hügelwelle hin, und seine Krume war fett und kraftvoll: ließ man sie ruhen von Zeit zu Zeit, wie Laban nach heilig-vernünftiger Regel nicht verfehlte zu tun, so trug er mehr als dreißigfältige Frucht.
Es war ein Segensjahr, dieses Mal. Das fromme Werk der Bestellung, des Pfluges und der säenden Hand, der Hacke, der Egge, des spendenden Schöpfeimers war göttlich gelohnt worden. Ehe die Ähren ansetzten, war dem Labansvieh köstliche Grünweide beschert gewesen, fern war die Gazelle, der Rabe der Frucht geblieben, nicht hatte die Heuschrecke das Land bedeckt, noch die Hochflut es weggerissen. Reich stand im Ijar die Ernte, zumal Jaakob, obgleich bewußtermaßen kein Ackersmann, auch auf diesem Gebiet seine Segensanschlägigkeit bewährt und durch Rat und Tat eine dichtere Besäung, als sonst wohl üblich, herbeigeführt hatte, wodurch zwar die Körnerzahl der Ähre sich etwas verringerte, doch nicht so sehr, daß nicht das Gesamterträgnis größer gewesen wäre, – hinlänglich größer, daß Laban, wie wenigstens Jaakob ihm rechnerisch klarzumachen wußte, immer noch im Vorteil blieb, wenn seinem Eidam persönlich ein gemessener Teil der Ernte zufiel.
Alle waren sie draußen zum Werken, selbst Silpa, die zwischenein dem Gad und Ascher die Brust gab, und nur die Töchter des Hauses waren daheim geblieben, das Abendmahl vorzubereiten, Lea und Rahel. In Sonnenhauben aus Schilfrohr, den Zottenschurz um die Lenden, schweißblank am Leibe und Gotteslieder singend, sichelten die Feldleute mit ausholenden Armen das Korn. Andere aber schnitten Stroh oder banden die Garben, luden sie auf Esel und Ochsenkarren, daß der Segen zur Tenne käme, gedroschen würde vom Rindvieh, geworfelt, geseiht und aufgeschüttet. Auch Ruben, der Knabe, hatte beim Arbeitsfeste unter den Kindern Labans schon seinen Mann gestellt. Als ihm nun die Arme erlahmten, am goldenen Nachmittag, schlenderte er abseits am Rande des Feldes. Da, an der Lehmmauer, fand er die Alraune.
Es gehörte Scharfblick und Unterricht dazu, sie zu erkennen. Das rauhe Kraut mit den eiförmigen Blättern erhob sich nur wenig über den Boden, unscheinbar für das nichtbelehrte Auge. An den Beerenfrüchten aber, den Dudaim eben, dunkel und von der Größe der Haselnüsse, erkannte Ruben, was da im Grunde steckte. Er lachte und dankte. Gleich griff er zum Messer, zog einen Kreis und grub ringsherum, bis der Wurzelstock nur noch an dünnen Fasern hing. Dann sprach er zwei schützende Worte und löste mit raschem Ruck die Rübe vom Erdreich. Er hatte erwartet, daß sie schreien würde, was aber nicht geschah. Dennoch war es ein rechtes und wohlschaffenes Zaubermännchen, das er am Schopfe hielt: fleischigweiß, mit zwei Beinen, kinderhandgroß, bärtig und überall zäsrig behaart, – ein Kobold zum Wundern und Lachen. Der Knabe kannte seine Eigenschaften. Sie waren zahlreich und nützlich; besonders aber, so wußte es Ruben, kamen sie den Weibern zugute. Darum dachte
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