Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Ding, vor deren Reizen später Lea völlig das Feld räumen mußte, sehr vertraulich und herzlich stand; und ihre Begierde nach Mutterwürde überwog denn auch die natürlichen Hemmungen, die es ihr bereitete, eigenhändig zu tun, was einst der harte Vater getan, und dem Vettergatten eine nächtliche Stellvertreterin zuzuführen.
Es war eigentlich umgekehrt: Sie führte den Jaakob an der Hand bei Bilha ein, nachdem sie die Kleine, die vor Glückestrubel nicht wußte, wo ihr der Kopf stand, und übermäßig duftete, zuvor schwesterlich geküßt und zu ihr gesagt hatte: »Wenn es denn sein muß, Herzchen, so bist du mir die Rechte. Werde zu Tausenden!« Diese übertreibende Wunschphrase war nur eine Gratulation des Sinnes, daß Bilha sich empfänglich erweisen möge statt ihrer Herrin, und das tat das Kind unverzüglich: sie kündete ihr Gelingen der Mutter ihrer Frucht, damit diese es dem Vater, den Eltern kündete; ihre Leibeshöhe war während der folgenden Monate nur in geringem Rückstande hinter Lea’s Lebenstracht, und in aller Augen konnte Rahel, die diese Zeit hin voller Zärtlichkeit für Bilha war, ihr oft den Leib streichelte und das Ohr an die Wölbung legte, die Achtung lesen, die der Erfolg ihres Opfers ihr eintrug.
Arme Rahel! War sie wohl glücklich? Ein anerkannter Brauch für den Notfall half ihr, den oberen Ratschluß bis zu einem gewissen Grad zu entkräften, aber ihre Würde wuchs, Verwirrung für ihr bereitwillig-sehnsüchtiges Herz, im Leib einer Fremden. Es war eine halbe Würde, ein halbes Glück, ein halber Selbstbetrug, notdürftig gestützt durch die Sitte, doch ohne Halt in Rahels Fleisch und Blut; und halbecht würden die Kinder, die Söhne sein, die Bilha ihr bringen würde, ihr und dem fruchtlos geliebten Mann. Rahels war die Lust gewesen, und einer anderen würden die Schmerzen sein. Das war bequem, aber hohl und abscheulich, ein stiller Greuel, nicht für ihr Denken, das dem Gesetz und der Üblichkeit folgte, aber für ihr redliches und tapferes kleines Herz. Sie lächelte wirr.
Sie leistete übrigens freudig und fromm alles, was zu leisten ihr vergönnt und vorgeschrieben war. Sie ließ Bilha auf ihren Knien gebären – das Zeremoniell verlangte es. Sie umschlang sie von hinten mit den Armen und beteiligte sich viele Stunden lang an ihrem Arbeiten, Stöhnen und Schreien, Wehmutter und Kreißende in einer Person. Es kam die kleine Bilha hart an, einen vierundzwanzigstündigen Tag dauerte die Niederkunft, und am Ende war Rahel fast ebenso erschöpft wie die fleischliche Mutter, aber das war ihrer Seele eben recht.
So kam der Jaakobssprosse zur Welt, der Dan genannt wurde, nur wenige Wochen nach Lea’s Levi, im dritten Ehejahr. Aber im vierten, da Lea von dem entbunden wurde, den sie Lobgott oder Jehuda hießen, brachten Bilha und Rahel mit vereinten Kräften dem Gatten ihren Zweiten dar, der schien ihnen danach angetan, ein guter Ringkämpfer zu werden, weshalb sie ihn Naphtali nannten. So hatte Rahel in Gottes Namen zwei Söhne. Danach gab es vorläufig keine Geburten mehr.
Die Dudaim
Jaakob hatte die ersten Jahre seines Ehestandes fast ganz auf Labans Hof verbracht und draußen auf den Weiden die Unterhirten und Pächter walten lassen, indem er jene nur dann und wann mit scharfer Musterung heimsuchte, von diesen die Abgaben an Vieh und Waren einnahm, die Labans waren, aber nicht ganz, ja nicht einmal immer zum größten Teil; denn vieles draußen und selbst auf dem Hof, wo Jaakob mehrere neue Vorratshütten zur Berge eigener Handelswerte errichtet hatte, gehörte schon Labans Eidam, und nachgerade wäre von der Verschränkung zweier blühender Wirtschaften zu reden gewesen, einer vielfach in sich gewickelten Interessenverrechnung, die Jaakob offenbar übersah und beherrschte, die aber dem schweren Blicke Labans längst nicht mehr recht durchsichtig war, ohne daß er es über sich vermocht hätte, dies einzugestehen: teils aus Besorgnis, seinem Verstand eine Blöße zu geben, teils auch aus der alten Furcht, durch krittelnde Einmischung seinem Sachwalter den Segen im Leibe zu verstimmen. Zu gut ging es ihm selbst bei alldem; er mußte durch die Finger sehen, und tatsächlich wagte er kaum noch, geschäftlich den Mund aufzutun – gar zu überwältigend-augenscheinlich bewährte sich Jaakobs Gotteskindschaft. Sechs Söhne und Wasserspender hatte er sich in vier Jahren erweckt; das war das Doppelte dessen, was Laban in Segensnähe hatte vor sich bringen können. Seine geheime
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