Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
wollte kein Hirte sein. – Arme Rahel! Sie hatte die Dudaim, und Lea gebar. So wollte es Gott und wollte es noch eine Weile so, bis sein Wille sich wendete oder vielmehr auf eine neue Stufe trat; bis ein weiteres Teilstück seines Schicksalsplans offenkundig ward und Jaakob, dem Segensmanne, ein Glück zuteil wurde – lebensvoll-leidensträchtig, wie sein zeitbefangener Menschensinn sich nicht träumen ließ, da er’s empfing. Laban, der Erdenkloß, hatte wohl recht gehabt, als er beim Biere schwer gekündet, daß Segen Kraft sei und Leben Kraft und nichts weiter. Denn das ist dünner Aberglaube, zu meinen, das Leben von Segensleuten sei eitel Glück und schale Wohlfahrt. Bildet der Segen doch eigentlich nur den Grund ihres Wesens, welcher durch reichliche Qual und Heimsuchung zwischenein gleichsam golden hindurchschimmert.
Im zwölften Ehejahr oder dem neunzehnten von Jaakobs Labanszeit wurde kein Kind geboren. Im dreizehnten aber und zwanzigsten kam Rahel in Hoffnung.
Welch eine Wende und welch ein Anbruch! Man stelle sich doch ihr ängstlich-ungläubiges Frohlocken vor und Jaakobs kniefälliges Hochgefühl! Sie war einunddreißig Jahre alt zu der Zeit; niemand hatte vermeint, daß Gott ihr dies Lachen noch aufgespart hätte. In Jaakobs Augen war sie Sarai, die einen Sohn haben sollte nach des dreifachen Mannes Verkündigung, wider alle Wahrscheinlichkeit, und mit Urmutters Namen nannte er sie, zu ihren Füßen, aufblickend durch Tränen der Andacht in ihr bläßlich sich entstellendes Antlitz, das ihm lieblicher schien als je. Ihre Frucht aber, die lange verweigerte, endlich empfangene, dieses Kind, das ihrer Zuversicht durch einen unbegreiflichen Bann so viele Jahre war vorenthalten worden, nannte er, während sie es trug, mit dem uralten, archaischen Namen einer amtlich kaum noch recht anerkannten, im Volke aber beliebt gebliebenen Jünglingsgottheit: Dumuzi, echter Sohn. Lea hörte es. Sie hatte ihm sechs echte Söhne und eine ebenfalls durchaus echte Tochter gebracht.
Sie wußte ohnedies Bescheid. Zu ihren vier Ältesten, damals zehn bis dreizehn Jahre alt, so gut wie erwachsen, stämmige und höchst brauchbare, männlich veranlagte junge Leute, wenn auch ziemlich unschön von Angesicht und alle mit einer Neigung zur Lidentzündung, sagte sie klar und offen:
»Söhne Jaakobs und Lea’s, mit uns ist’s aus. Wenn jene ihm einen Sohn gebiert, – und ich wünsche ihr Heil, die Götter sollen mein Herz behüten –, so sieht der Herr uns nicht mehr an, euch nicht und die Kleinen nicht, noch die Kinder der Mägde und mich nun schon gar nicht, ob ich auch zehnmal die Erste wäre. Denn die bin ich, und siebenfach haben sein Gott und meines Vaters Götter mir Muttergelingen gegeben. Sie aber ist die Liebste, drum ist sie ihm auch die Erste und einzig Rechte, so stolz ist sein Sinn, und ihren Sohn, der noch nicht am Lichte ist, nennt er Dumuzi, ihr habt’s gehört. Dumuzi! Es ist wie ein Messer in meine Brust und wie ein Backenstreich in mein Antlitz, wie eine Strieme ist es in das Antlitz eines jeden von euch, doch müssen wir’s dulden. Knaben, so steht es. Wir müssen gefaßt sein, ihr und ich, und unsere Herzen in beide Hände nehmen, daß sie nicht stürmisch ausarten wider das Unrecht. Wir müssen lieben und ehren den Herrn, ob wir in Zukunft auch nur ein Wegwurf sein werden in seinen Augen und er durch uns hindurchblicken wird, als seien wir Luft. Und auch jene will ich lieben und will mein Herz pressen, daß es sie ja nicht verwünsche. Denn es ist zärtlich dem Schwesterlein und innig gesinnt dem Kindgespiel, aber die Liebste, die den Dumuzi gebären will, hat es eine heftige Neigung zu verwünschen, und so geteilt sind meine Empfindungen für sie, daß mir schlecht ist und übel davon im Leibe und ich mich selber nicht kenne.«
Ruben, Schimeon, Levi und Jehuda liebkosten sie ungeschickt. Sie grübelten mit den rötlichen Augen und kauten die Unterlippe. Damals fing es an. Damals bereitete sich in Rubens Herzen die rasche Zornestat vor, die er einst tun sollte für Lea und die der Anfang war vom Ende seiner Erstgeburt. Damals senkte sich in die Herzen der Brüder der Keim des Hasses gegen das Leben, das selbst erst ein Keim war; die Saat geschah, die aufgehen sollte als unnennbares Herzeleid für Jaakob, den Gesegneten. Mußte es denn so sein? Hätte nicht Friede und heiterer Sinn können herrschen im Jaakobsstamm und alles einen gelinden und gleichen Gang nehmen in ebener Verträglichkeit? Leider
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