Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
bin aber gescheitert an seinem granitenen Willen und ging fort ungetröstet und allein. Nach ihm aber, Zwerg, muß ich Boten über Boten schicken, daß er nur kommt und mir beisteht, dadurch zum Beispiel, daß er mir dies und das von dem schändlichen Jüngling, dem Unkraut des Hauses, berichtet und seinem Gehaben: ob er sich spreizt in seiner neu erlisteten Würde, und welche Worte er braucht über Hausgenossen und Herrschaft, zum Exempel auch über mich, die Herrin, und wie er sich beiläufig über mich ausdrückt in seinen Reden. Wenn ich ihm begegnen soll und sein Wachstum bekämpfen, so muß ich ihn kennen und wissen, wie er meiner gedenkt in der Rede. Deine Saumseligkeit aber läßt mich unberichtet darüber, statt daß du rege wärest und anschlägig und ihn etwa bestimmtest, sich mir zu nähern zur Aufwartung und meine Gnade zu suchen, damit ich ihn genauer prüfte und den Zauber erspähte, womit er die Menschen betört und sie auf seine Seite zieht; denn es ist ein Geheimnis darum, und der Grund seiner Siege ist unerfindlich. Oder vermögt Ihr, Schmuckputzer, zu sehen und zu sagen, was man an ihm findet? Gerade um dies mit Euch, dem erfahrenen Mann, zu erörtern, habe ich nach Euch geschickt und hätte Euch die Frage früher schon vorgelegt, wenn du früher gekommen wärst, Zwerg. Ist er etwa so außerordentlich von Wuchs und Gestalt? Keineswegs, er ist aufgebaut wie sehr viele, einfach nach dem Mannesmaß, nicht so klein wie du, natürlich, aber bei weitem auch wieder so reckenhaft nicht wie Peteprê, mein Gemahl. Man könnte sagen, seine Größe sei gerade recht, aber sagt man denn damit etwas Bestürzendes? Oder ist er so stark, daß er fünf Scheffel Saatkorn oder mehr aus dem Speicher tragen könnte und die Männer davon beeindruckt, die Weiber aber entzückt davon sein müßten? Auch nicht, seine Körperkräfte sind durchaus gemäßigt, eben nur wieder gerade recht, und wenn er den Arm biegt, so strotzt ihm das Manneszeichen des Muskels nicht roh und prahlerisch davon auf, sondern tut sich auf eine geschmackvoll mäßige Art hervor, die man menschlich nennen könnte, aber auch göttlich ... Ach, Freund, so ist es. Aber wie tausendfach kommt es vor in der Welt, und wie wenig rechtfertigt es also seine Siege! Zwar sind es Haupt und Antlitz, die der Gestalt erst Sinn und Wert verleihen, und man mag um der Billigkeit willen einräumen, daß seine Augen schön sind unter ihren Bögen und in ihrer Nacht, schön sowohl, wenn sie groß und offen blicken, wie auch, falls es ihm beliebt, sie auf eine bestimmte, Euch zweifellos bekannte Art, die man schleierhaft listig und träumerisch nennen könnte, zusammenzuziehen. Was aber ist es mit seinem Munde, und wie soll man verstehen, daß er es den Menschen damit antut und sie ihn, wie ich höre, geradezu den Mund nennen, des Hauses Obersten Mund? Das ist nicht zu verstehen, und hier ist ein Rätsel, das man ergründen müßte, denn seine Lippen sind ja eher zu wulstig, und das Lächeln, mit dem sie sich zu schmücken wissen, so daß ihm die Zähne dazwischen glitzern, erklärt nur zum kleinsten Teil eure Betörung, selbst wenn man die geschickten Worte hinzunimmt, die darauf ihren Sitz haben. Ich neige der Ansicht zu, daß das Geheimnis seines Zaubers in erster Linie das seines Mundes ist und daß man es diesem ablauschen müßte, um den Verwegenen desto sicherer im eigenen Netze zu fangen. Wenn meine Diener mich nicht verraten und mich nicht qualvoll warten lassen auf ihren Beistand, will ich’s wohl auf mich nehmen, ihm auf die Schliche zu kommen und ihn zu Fall zu bringen. Widersteht er mir aber, dann wisse, Zwerg, daß ich den Bogenschützen befehlen werde, ihre Waffen umzukehren und ihre Pfeile in sein, des Verdammten, Gesicht zu schießen, in die Nacht seiner Augen hinein und in seines Mundes verderbliche Wonne!«
So seltsamen Worten der Herrin lauschte Dûdu in Würden, das Dach seiner Oberlippe vorgeschoben über die untere, das hohle Händchen hinter der Ohrmuschel, zum Zeichen seiner Aufmerksamkeit, die ungeheuchelt war; und seine Beschlagenheit auf zeugerischem Gebiet setzte ihn in den Stand, sie zu deuten. Da er aber ihr Herz erkannte, veränderte er seine Rede gegen sie, nicht allzu jäh, sondern allmählich, indem er von einem Ton in den anderen schlüpfte, heute anders von Joseph sprach als gestern, sich aber dabei aufs Gestrige berief, als habe es ebenso günstig gelautet (während es allerdings schon eines etwas milderen Sinnes, aber doch noch
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