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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nun bist du wohl eingeschlüpft, um mich zu beglückwünschen zu einer so schönen Wendung, daß die Herrin selber den Feind, der mich lange vor ihr verklagt, zu mir entsendet mit dem unmißverständlichen Bedeuten, daß ich nun endlich dennoch Gnade gefunden vor ihr und sie die Geschäfte mit mir zu bereden begehre? Gestehe nur, daß das eine herrliche Wendung ist, und freue dich mit mir, daß es mir freisteht, mich heute um Untergang zur Audienz einzustellen im Gartenhäuschen, denn ich freue mich unbändig darüber! Ich sage übrigens nicht, daß ich vorhabe, mich einzustellen – es fehlt viel, daß ich dazu entschlossen wäre. Allein, daß es mir freisteht und ich die Wahl habe, ob ich’s tun oder lassen will, das freut mich ausnehmend, und dazu sollst du, Däumling, mir Glück wünschen!«
    »Ach, Osarsiph«, seufzte der Kleine, »wolltest du’s lassen, so wärest du der Wahl nicht so froh, und deine Freude ist der kleinen Weisheit ein Wink, daß du eher gewillt bist, dich einzustellen! Soll der Zwerg dich wohl dazu beglückwünschen?«
    »Besonders kleines Gefasel ist es«, schalt Joseph, »und ein undienliches Gezirp, womit du mich da regalierst. Willst du’s des Menschen Sohn nicht gönnen, daß er sich seines freien Willens freue, zumal in einer Sache, in der er nie gedacht hätte, sich seiner freuen zu dürfen? Erinnere dich mit mir und denke zurück in der Zeit bis zu dem Tag und der Stunde, da der Herr mich gekauft hatte durch den Vergöttlichten und dieser durch Chamat, den Schreiber, von meinem Brunnenvater, dem Alten aus Midian, und wir waren allein geblieben auf dem Hof: ich, du und dein Affentier, weißt du wohl noch? Da wiesest du den Verwirrten: ›Wirf dich zu Boden!‹, und auf den Schultern der Gummiesser zog hoch und erhaben die fremde Herrin vorüber des Hauses, das mich gekauft, und ließ ihren Lilienarm von der Trage hängen, wie ich sah zwischen meinen Händen. Blind vor Geringschätzung blickte sie auf mich wie auf eine Sache, und der Knabe blickte auf sie wie auf eine Göttin, blind vor Ehrfurcht. Dann aber hat Gott es gewollt und veranstaltet, daß ich in diesem Hause wuchs wie an einer Quelle durch sieben Jahre und kam auf gegen alles Gesinde, bis ich die Erbfolge antrat des Nierenkranken und an der Spitze war. So verherrlichte sich in mir der Herr, mein Gott. Nur eine Trübnis war in der Scheibe meines Glückes und schlackicht sein Erz in der einzigen Hinsicht: die Herrin war wider mich mit Ehren Beknechons, dem Amunsmann, und Dûdu, dem Ehekrüppel, und ich war schon froh, wenn sie mir finstere Blicke gab – immer noch besser als gar keine. Nun sieh aber an: Ist es nicht meines Glückes reine Vollendung, und ist’s nicht schlackenfrei nun erst ganz, da ihre Blicke sich erhellt haben gegen mich und sie mich ihrer jungen Gnade bedeuten läßt sowie ihres Begehrens, Geschäftliches mit mir zu bereden in Sonderaudienz? Wer hätte gedacht zu der Stunde, da du dem Knaben zuwispertest: ›Wirf dich zu Boden!‹, daß er eines Tages freie Wahl haben werde, sich dazu einzustellen oder auch nicht? Halt es mir nur zugute, Freund, daß ich mich darüber freue!«
    »Ach, Osarsiph, freue dich, nachdem du beschlossen hast, zu meiden das Stelldichein – vorher nicht!«
    »Du fängst jede Rede mit ›Ach!‹ an, Hutzelchen, statt sie mit ›Oh!‹ anzufangen und mit Wunderjubel. Was bläst du Trübsal, fängst Grillen und suchst dir Sorgen? Ich sagte dir ja, daß ich eher geneigt bin, mich nicht einzustellen im Häuschen. Nur ist es damit auch wieder so eine Sache. Denn schließlich ist es die Herrin, die mich hat bedeuten lassen – man könnte auch sagen: erstlich ist sie’s, so wichtig ist dieser Umstand. Weltklugheit geziemt einem Manne wie mir und kühl berechnender Sinn. Ein solcher muß auf seinen Vorteil bedacht sein und darf sich nicht kleinlich scheuen, die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen, die sich bietet, ihn zu verstärken. Bedenke wohl, wie sehr ein Bund mit der Herrin und ein nahes Verhältnis zu ihr meiner Stellung im Hause zustatten käme als schätzbarer Rückhalt! Sodann aber: Sage mir doch, wer ich bin, daß ich Wunsch und Weisung der Herrin beurteilen sollte mit Ja und Nein und mich darüber erheben mit eigenem Ratschluß? Zwar bin ich über dem Hause, doch hörig dem Hause, sein Käufling und Knecht. Sie aber ist hier die Erste und Rechte, des Hauses Frau, und Gehorsam schulde ich dieser. Es gibt niemanden, unter den Lebenden nicht noch unter den Toten, der’s tadeln

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