Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
könnte, wenn ich blind und dienertreu ihr Geheiß erfüllte, ja, wohl gar den Tadel zöge ich mir zu der Lebenden und Toten, hielte ich’s anders. Denn zu früh wäre ich offenbar zum Befehlshaber aufgerückt, hätt’ ich’s noch nicht einmal zum Gehorchen gebracht. Darum fange ich an, mich zu fragen, ob du nicht recht hattest, Beslein, mit deiner Bemängelung meiner Freude an freier Wahl. Denn vielleicht ist mir solche gar nicht gelassen, und einstellen muß ich mich ganz unbedingt?«
»Ach, Osarsiph«, raschelte das Stimmchen, »wie soll ich nicht ach sagen, ach und weh, da ich dich reden höre und Larifari machen mit deiner Zunge! Gut, schön und klug warst du, als du zu uns kamst als Siebente Sache und ich für deinen Kauf einstand gegen den bösen Gevatter, weil die kleine Weisheit, die ungetrübte, auf den ersten Blick deinen Wert und Segen erkannte. Schön bist du noch und gut im Grunde, doch von dem dritten, da laß mich schweigen! Ist’s nicht ein Jammer, dich anzuhören, wenn man an früher denkt? Klug warst du bis dato, von echter, untrüglicher Klugheit, und frei geradehin gingen deine Gedanken, erhobenen Hauptes und lustig, dienstbar allein deinem Geiste. Kaum aber hat vom Atem des Feuerstiers, vor dem sich der Kleine entsetzt wie vor nichts in der Welt, ein Hauch dein Antlitz gestreift, da bist du schon dumm, daß Gott erbarm’, dumm wie ein Esel, daß man dich prügeln möchte rund um die Stadt, und deine Gedanken gehen auf allen vieren und lassen die Zunge hängen, dienstbar nicht mehr deinem Geist, sondern dem bösen Hange. Ach, ach, wie schimpflich! Luftdrusch und Winkelzüge und falsche Folge, darauf allein sind sie aus, die erniedrigten, daß sie nur deinen Geist betrügen in Hangesfron. Und gar den Kleinen noch willst du betrügen, da du ihm schmeichelst in kläglicher Schlauheit, er hätte wohl recht gehabt, deine Freude zu tadeln an freier Wahl, weil du letztlich gar keine hättest, – als ob nicht eben dabei deine Freude erst recht begönne! Ach, ach, wie aus der Maßen beschämend und elend ist das!« Und Gottliebchen fing bitterlich an zu weinen, die Händchen vorm Runzelgesicht.
»Nun, Haulemännchen, nun, nun«, sagte Joseph betroffen. »So tröste dich doch und weine nicht mehr! Es erbarmt einen Menschen ja und geht einem nahe, dich so verzagt zu sehen, und das nur um etwas falscher Folge willen, die einem allenfalls untergelaufen im Reden! Du magst es leicht haben, stets rechte Folge zu halten und rein nach dem Geiste zu denken; mußt aber auch gut sein und dich nicht gar so erbärmlich schämen für den Beirrbaren, dem’s wohl einmal das Konzept verdirbt.«
»Das ist deine Güte nun wieder«, sagte der Kleine noch schluchzend und trocknete die Augen mit dem knittrigen Batist seines Festgewandes, »die sich meiner Zwergentränen erbarmt. Ach, daß du dich, Lieber, deiner selbst erbarmtest und aus allen Kräften die Klugheit am Zipfel hieltest, daß sie dir nicht entfliehe zu der Frist, wo sie dir am allernötigsten! Sieh, ich hab’s kommen sehen von Anfang an, wenn du mich auch nicht verstehen wolltest und dich verdummtest gegen mein ängstliches Wispern, – kommen sehen, daß viel Schlimmeres noch als das Schlimme aus des argen Gevatters Klagen erwachsen könne vor Mut, der Herrin, und Gefährlicheres als die Gefahr! Denn er gedachte es bös zu machen, machte es aber so bös, wie er selbst nicht gedacht, und öffnete der Armen verderblich die Augen für dich, meinen Schönen und Guten! Du aber, willst du auch jetzt noch die deinen verschließen vor der Grube, die tiefer ist als die erste, worein die neidischen Brüder dich stießen, nachdem sie dir Kranz und Schleier zerrissen, wie du mir oftmals erzählt? Es wird dich kein Ismaeliter von Midian aus dieser Grube ziehen, die der widrige Ehegevatter dir aushob, da er der Herrin Augen machte für dich! Nun macht sie dir Augen, die Heilige, und auch du machst ihr welche, und in dem schreckhaften Augenspiel ist der Feuerstier, der die Fluren verheert, und nachher ist nichts als Asche und Finsternis!«
»Schreckhaft bist du von Natur, armes Männchen«, erwiderte Joseph ihm, »und quälst dein Seelchen mit Zwergengesichten! Sage doch gleich einmal, was du dir für Schwachheiten einbildest von wegen der Herrin, nur weil sie meiner gewahr geworden! Als ich ein Bürschchen war, dünkelte mich’s, jeder, der mich nur ansähe, müsse mich gleich mehr lieben als sich selbst – ein solcher Grünschnabel war ich. Das hat mich in die
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