Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
antwortete Eni mit schwacher Stimme, »ich hätte einen, – was frommte es mir, ihn euch zu nennen? Ihr Guten und Mitleidigen könntet mich nicht davon erlösen, und wahrscheinlich bleibt gar nichts übrig, als daß ich daran sterbe.«
    »So ist es also wahr«, riefen sie, »und es ist wirklich ein solcher Kummer, der dich ermüdet?« Und in den höchsten Tönen verwunderten sich die Damen, wie es möglich sei. Eine Frau wie sie! Zur Creme der Länder gehörig, reich, zauberhaft schön und beneidet unter des Reiches Frauen! Was konnte ihr abgehen? Welchen Wunsch brauchte sie sich zu versagen? Muts Freundinnen verstanden das nicht. Inständig befragten sie sie, teils herzlicherweise, teils nur aus Neugier, Schadenfreude und Liebe zur Aufregung, und lange wich die Ermüdete ihnen aus, verweigerte matt und hoffnungslos jede Auskunft, weil sie ihr doch nicht helfen könnten. Endlich aber – nun gut – erklärte sie, ihnen die Antwort allen zusammen, gemeinsam, geben zu wollen, im Rahmen eines Plauderkränzchens und einer weiblichen Gasterei, zu der sie sie nächstens vollzählig wolle zusammenladen. Denn wenn sie, sei es auch ohne Appetit, ein wenig zu sich nähme, eine Vogelleber und etwas Gemüse, werde sie hoffentlich die Kraft finden, sich vom Lager aufzurichten, zu dem Ziel eben, den Freundinnen die Ursache ihrer Veränderung und Ermüdung zu enthüllen.
    Gesagt, getan. Schon im nächsten Mondviertel – man war nur noch eine kurze Spanne vom Neujahrstage und vom großen Opetfeste entfernt, bei welchem im Hause Potiphars so Entscheidendes sich ereignen sollte – lud Eni tatsächlich zu diesem Kränzchen, der viel, aber nicht immer richtig besungenen Damengesellschaft in den Räumen von Peteprê's Frauenhaus ein: einer Nachmittagsveranstaltung in größerem Kreise, die durch die Anwesenheit Nes-ba-mets, der Gemahlin Beknechons’ und Ersten der Haremsfrauen, erhöhten Glanz gewann, und bei der es an nichts fehlte, weder an Blumen und Salben, noch an kühlen, zum Teil berauschenden, zum anderen Teil nur erfrischenden Getränken, noch an vielerlei Kuchen, eingelegten Früchten und fadenziehenden Süßigkeiten, ausgespendet von jungen Dienerinnen in lieblich knapper Tracht, mit schwarzen Hängeflechten im Nacken und Schleiern um die Wangen, – einer Nüance, die man noch nicht gesehen, und die viel Beifall fand. Ein reizendes Orchester von Harfenistinnen, Lautespielerinnen und Bläserinnen der Doppelflöte in weiten Hauchgehängen von Kleidern, durch welche man die gewirkten Gürtel ihrer Lenden sah, musizierten im Brunnenhof, wo die große Mehrzahl der Damen in zwanglosen Gruppen, teils zwischen den hochbeladenen Anrichten auf Stühlen und Hokkern sitzend, teils auf bunten Matten kniend sich niedergelassen hatte. Doch war auch der bekannte Pfeilersalon, aus welchem übrigens das Bild Atum-Rê's wieder entfernt war, von ihnen besetzt.
    Muts Freundinnen waren hold und kunstreich zu sehen: Duftfett schmolz salbend von ihren Scheiteln in ihr breit gelöstes, zu Fransen gedrehtes Haar, durch welches die goldenen Scheiben ihres Ohrschmucks schnitten, von lieblicher Bräune waren ihre Glieder, ihre glänzenden Augen reichten bis zu den Schläfen, ihre Näschen deuteten auf nichts als Hoch- und Übermut, und die Fayence- und Steinmuster ihrer Krägen und Armringe, die Gespinste, die ihre süßen Brüste umspannten, aus Sonnengold, wie es schien, oder Mondschein gewoben, waren von letzter Kultur. Sie rochen an Lotusblüten, reichten einander Näschereien zum Kosten und plauderten mit zwitschernd hohen und tiefer-rauheren Stimmen, wie sie ebenfalls weiblich vorkommen in diesen Breiten, – Nes-ba-met zum Beispiel, des Beknechons Gattin, hatte eine solche Stimme. Vom nahen Opetfest plauderten sie, vom großen Umzuge der heiligen Dreiheit in ihren Barken und ihren Kapellen, zu Land und zu Wasser, von der Gottesbewirtung im Südlichen Frauenhaus, wo sie, die Damen, zu tanzen, zu klappern und zu singen haben würden vor Amun als seine Nebenfrauen mit beliebten Stimmen. Das Thema war wichtig und schön; und dennoch war es nur vorgewendet in dieser Stunde und mußte herhalten zum Zungenspiel, um die Zeit der Erwartung zu füllen, bis Mut-em-enet, die Gastgeberin, ihnen die Antwort erteilen und ihnen aufregenderweise die Ursache ihrer Ermüdung zu wissen geben würde.
    Sie saß unter ihnen am Wasserbecken in ihrer Leidensgestalt, lächelte schwach mit dem gequälten Schlängelmunde und wartete ihres Augenblicks. Traumhaft und nach

Weitere Kostenlose Bücher