Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
meine Gute, das du dir mitten darin geleistet hast, – ich rede geradeheraus und für alle. Versetze dich doch an unsere Stelle! Du hast uns eingeladen, um uns die Ursache deiner Ermüdung zu enthüllen, welche der Kunst der Ärzte spottet, und läßt uns warten auf die Enthüllung, so daß wir ohnedies schon nervös sind und unsere Neugier verbergen hinter künstlichem Geplausch. Du siehst, ich stelle alles offen der natürlichen Wahrheit gemäß und ohne Zimperlichkeit dar in unser aller Namen. Du läßt uns goldene Äpfel servieren, – sehr gut, sehr rühmlich, auch Pharao hat sie nicht jeden Tag. Aber gerade, da wir sie schälen wollen, verordnest du es, daß in unsern empfindlichen Kreis dieser Schenke tritt – er sei nun, wer er sei, ich nehme an, daß es euer Jungmeier war, den sie ›Nefernefru‹ nennen auf den Land- und Wasserwegen, und beschämend genug ist es ja, daß man als Dame genötigt ist, übereinzustimmen mit den Leuten der Dämme und Kanäle im Urteil und Geschmack, aber hier ist die Rede nicht von Geschmack und Strittigkeit, denn das ist ja ein Himmelsbild von einem Jungen an Haupt und Gliedern, und wo es an und für sich schon einer Chocwirkung gleichkommt, wenn unter so viele bereits nervöse Frauen plötzlich ein Jüngling tritt, und sei er auch weniger reizend, – wie willst du, daß es einem nicht in die Glieder fährt und einem die Augen nicht übergehen, wenn ein solcher Gottesfratz auf der Bildfläche erscheint und neigt seinen Krug über deinen Kelch? Du kannst nicht verlangen, daß man da noch seiner Hantierung gedenkt und seine Finger hütet vor drohendem Ungemach! Wir haben dir Ungelegenheit und viel Schererei verursacht mit unserem Geblute, aber den Vorwurf, Eni mit beliebter Stimme, kann ich dir nicht ersparen, daß du selber schuld bist an dem Ennui durch deine chochaften Verordnungen.«
»So ist es!« rief Renenutet, die Rindervorsteherin. »Du mußt dir, Liebste, den Vorwurf gefallen lassen, denn einen Possen hast du uns gespielt mit deiner Regie, dessen wir alle gedenken werden, – wenn nicht mit Zorn, so nur darum nicht, weil deine Unberührtheit sich wohl nichts dabei dachte. Aber das ist es eben, Schatz, daß du’s an schonender Überlegung gänzlich hast fehlen lassen und dir die Peinlichkeit dieses roten Zwischenfalls selber zuschreiben mußt, wenn du gerecht bist. Ist es nicht klar, daß die aufgesummte Weiblichkeit einer so zahlreichen Damengesellschaft auch wieder auf die weibliche Einzelnatur zurückwirkt und sie zu empfindlichster Höhe emporstimmt? In einen solchen Kreis läßt du unversehens was Männliches treten und in welchem Augenblick? Im Augenblick des Schälens! Meine Gute, wie sollte das wohl unblutig ablaufen, – urteile selbst! Nun aber mußte es auch noch dieser Schenke sein, euer Jungmeier, ein wahrer Gottesfratz! Mir wurde völlig anders bei seinem Anblick – ich sage es, wie es ist und nehme kein Blatt vor den Mund, denn dies ist die Stunde und sind Umstände, wo Herz und Mund einem übergehen und man die Erlaubnis spürt, einmal alles gerade herauszusagen. Ich bin eine Frau, die viel Sinn hat fürs Männliche, und da ihr’s ohnedies wißt, so will ich nur einfach erwähnen, daß ich außer meinem Gemahl, dem Rinderdirektor, der in den besten Jahren steht, auch noch jenen Leiboffizier kenne sowie den jungen Betreter von Chonsu’s Haus, der auch mein Haus betritt – ihr wißt es ja sowieso. Aber das alles hindert nicht, daß ich mich gegen das Männliche hin allezeit sozusagen auf dem Qui vive befinde und mich leicht davon göttlich anmuten lasse, – besonders aber habe ich eine Schwäche für Schenken. Ein Schenke hat immer was Göttliches oder vom Götterliebling etwas – ich weiß nicht, warum mir so ist – es liegt in seinem Amt und in seiner Gebärde. Nun aber gar dieser Refertēm und blaue Lotos, der Zuckerjunge mit seinem Kruge – ihr Guten, mit mir wars aus! Mit aller Bestimmtheit glaubte ich einen Gott zu sehen und wußte vor frommem Vergnügen nicht mehr den Ort der Erde, an dem ich mich befand. Ganz Auge war ich, und während ich äugte, säbelte ich mir mit dem Schälmesserchen in Fleisch und Bein und vergoß mein Blut in Strömen, ohne es auch nur zu spüren, so anders war mir geworden. Aber das ist das ganze Unheil noch nicht, denn ich bin sicher: Sobald ich Früchte schälen werde in Zukunft, wird sich vor meiner Seele das Bild deines Schenkenfratzen erneuen, des verwetterten, und wieder werde ich mir ins Gebein säbeln
Weitere Kostenlose Bücher