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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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die Damen sich samt und sonders fürchterlich in die Finger schnitten – und zwar ohne des verunreinigenden Malheurs auch nur gleich gewahr zu werden, denn einen Schnitt von so extrem überschärfter Klinge spürt man kaum, zumal in so gründlich abgelenktem Zustande, wie der, worin Eni’s Freundinnen sich eben befanden.
    Von einigen ist die oft geschilderte Szene als apokryph und der geschehenen Geschichte nicht zugehörig hingestellt worden. Mit Unrecht; denn sie ist wahr, und jede Wahrscheinlichkeit spricht für sie. Bedenkt man, daß es sich einerseits um den schönsten Jüngling seiner Sphäre, andererseits aber um die schärfsten Messerchen handelte, welche wahrscheinlich die Welt je gesehen, so ist klar, daß der Vorgang gar nicht anders, nämlich nicht unblutiger verlaufen konnte, als er wirklich verlief, und daß die Traumsicherheit, mit der Mut diesen Verlauf berechnet und vorhergesehen hatte, vollauf berechtigt gewesen war. Mit ihrer Leidensmiene, dieser Maske aus Finsternis und Geschlängel, blickte sie auf das angerichtete Unheil, das still sich entwickelnde Blutbad, das vorerst sie ganz allein wahrnahm, da die in lüsterner Hingerissenheit gaffenden Gesichter der Damen dem Jüngling folgten, der sich allmählich gegen den Pfeilersalon entfernte, wo, wie Mut sich mit vollem Recht überzeugt hielt, ganz dasselbe sich abspielen würde. Erst als der Geliebte den Augen entschwunden war, fragte sie boshaft besorgten Tones in die Stille hinein:
    »Meine Herzchen, was habt und tut ihr? Ihr vergießt euer Blut!«
    Es war ein schreckhafter Anblick. Da die behenden Messerchen bei vielen zolltief geflitzt waren, sickerte das Blut nicht nur, es quoll und strömte; die Händchen mitsamt den goldenen Äpfeln waren ganz überschwemmt und verschmiert von dem roten Naß, es durchtränkte färbend die blütenhaften Stoffe der Kleider im Schoße der Frauen, bildete Lachen darin und troff auf die Füßchen, den Estrich hinab. Welch Jemine, welch Lamentieren, Gekreisch und Augenverdrehen entstand, als sie’s durch Mut-em-enets falsch erstaunten Hinweis gewahr wurden! Einige, die kein Blut sehen konnten, besonders ihr eigenes nicht, drohten in Ohnmacht zu fallen und mußten mit Zitweröl und scharfen Fläschchen, womit die Niedlichen zwischen ihnen herumsprangen, zur Not bei Bewußtsein gehalten werden. Überhaupt geschah nun das Notwendigste, und auch mit Wasserbecken, Wischtüchern, Essig, Scharpie und in Streifen gerissenem Leinenzeug sprangen die Niedlichen alsbald herum, so daß denn das Kränzchen zu dieser Frist den Anblick eines Lazaretts und Verbandsplatzes bot, hier sowohl wie im Pfeilergemach, wohin Mut-em-enet sich einen Augenblick begab, um festzustellen, daß dort ebenfalls alles im Blute schwamm. Renenutet, die Gattin des Rindervorstehers, gehörte zu den Tiefstverletzten, und vorübergehend mußte man ihr das Händchen geradezu töten, indem man das gelblich erblassende vom allgemeinen Lebensbetriebe gewaltsam abschnürte, um die Blutung zum Stillstand zu bringen. Auch Nes-ba-met, des Beknechons tiefstimmige Gemahlin, hatte sich übel zugerichtet. Ihre Robe war hin, und sie wetterte laut, ungewiß auf wen, während zwei Gürtelmädchen, ein schwarzes und ein weißes, sie tröstend verarzteten.
    »Teuerste Oberin und ihr meine Herzchen alle«, sprach Mut-em-enet heuchlerisch, als leidliche Ruhe und Ordnung wieder eingekehrt waren, »wie konnte das zugehen und wie sich ereignen, daß ihr euch solches antatet bei mir und dieser rote Zwischenfall mein Damenfest verunehrt? Fast unerträglich peinlich ist es der Wirtin, daß dies euch in meinem Hause zustoßen mußte, – wie aber war’s möglich? Es kommt wohl vor, daß eine oder die andere sich schneidet beim Schälen, – aber alle zugleich und einige bis auf den Knochen? Das ist noch nicht vorgekommen, so weit ich die Welt kenne, und wird wohl ein Einzelfall bleiben in der Gesellschaftsgeschichte der Länder, – man muß es wenigstens hoffen. Aber tröstet mich, meine Süßen, und sagt mir, wie in aller Welt es geschehen konnte!«
    »Laß gut sein«, antwortete für die übrigen Frauen Nes-ba-met mit ihrem Baß. »Laß gut sein, Enti, denn gut ist es ja nun so ziemlich, wenn auch der rote Set die Nachmittagskleider verdorben hat und einige unter uns noch verfärbt sind vom Aderlaß. Gräme dich nicht! Du hast es gut gemeint, wie wir annehmen, und dein Empfang ist fashionabel in jeder Einzelheit. Aber ein starkes Stück von Unüberlegtheit war es schon,

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