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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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uns der beste Beweis für die Geschichtlichkeit der Damengesellschaft sowie dafür, daß die uns nächste und würdigste Überlieferung einzig aus lapidarer Kargheit darüber schweigt. –
    Das Vorspiel zur Damengesellschaft war, daß Mut-em-enet krank wurde. Es war die nach ihrem Bilde wenig genau umrissene Krankheit, in welche die Prinzen und Königstöchter aller Geschichten verfallen, wenn sie trostlos lieben, und die regelmäßig »der Kunst der berühmtesten Ärzte spottet«. Mut verfiel in sie, weil es so im Buche steht, weil es gehörig und fällig war und man dem Gehörigen und Fälligen schwer widersteht; zweitens aber, weil ihr alles daran lag (und auch bei den Prinzen und Königstöchtern sonstiger Geschichten scheint dies durchweg ein Hauptmotiv ihres Siechtums zu sein), Aufsehen zu erregen, die Welt in Aufregung zu versetzen und befragt zu werden, – recht dringend, um Lebens und Sterbens willen und allgemein befragt zu werden, denn zu vereinzelten, mehr oder weniger aufrichtig besorgten Fragen hatten die Veränderungen, von denen seit Jahr und Tag ihr Äußeres betroffen worden, schon vorher Anlaß gegeben. Sie wurde krank aus dem dringenden Wunsch, die Welt mit ihrer Heimsuchung, dem Glück und der Qual ihrer Liebe zu Joseph zu beschäftigen, – denn daß es weiter, im Sinne der strengen Wissenschaft, nicht gar viel auf sich hatte mit dieser Krankheit, geht schon daraus hervor, daß, als es dann galt, die Damengesellschaft zu geben, Mut sich sehr wohl von ihrem Lager erheben und die Wirtin machen konnte: kein Wunder übrigens, da diese Veranstaltung gewiß von vornherein mit im Plane der Krankheit gelegen hatte.
    Mut also wurde ernstlich, wenn auch unbestimmt krank und bettlägerig. Zwei elegante Ärzte, der Doktor vom Bücherhause des Amun, der schon zum Altmeier Mont-kaw berufen worden, und noch ein anderer Tempelweiser, behandelten sie, ihre Schwestern vom Hause der Abgeschlossenen, Peteprê's Kebsweiber, pflegten sie, und ihre Freundinnen vom Hohen Hathorenorden und von Amuns Südlichem Frauenhause besuchten sie. Es sprachen vor die Damen Renenutet, Neit-em-hêt, Achwêre und viele andere. Es kam auch in ihrer Sänfte Nes-ba-met, die Ordensoberin, Gemahlin des großen Beknechons, »Vorstehers der Priester aller Götter von Ober- und Unterägypten«. Und alle, einzeln oder zu zweien und dreien am Bett der Berührten sitzend, beklagten und befragten sie in reichlich fließenden Worten, teils aus dem Herzen, teils kaltsinnig, aus bloßer Konvenienz oder sogar schadenfroh.
    »Eni mit beliebter Stimme wenn du singst!« sprachen sie. »Um des Verborgenen willen, was ist das mit dir, und was machst du uns, Böse, für Not? So wahr der König lebt, schon seit längerem bist du nicht mehr, die du warst, sondern wir alle, die dich im Herzen tragen, beobachten Zeichen von Ermüdung an dir und Veränderungen, die zwar selbstverständlich nicht vermögend waren, deiner Schönheit Abtrag zu tun, uns alle aber trotzdem in zärtliche Sorge versetzen. Nicht möge ein böser Blick des Auges bei dir sein! Wir alle haben gesehen und es einander unter heißen Tränen mitgeteilt, daß die Ermüdung in Gestalt einer Abmagerung über dich kam, die zwar nicht alle Teile deines Körpers ergriff, – vielmehr sind einige davon voller erblüht, aber andere dafür in der Tat zu mager geworden: deine Wangen zum Beispiel, sie sind gemagert; auch fingen deine Augen an, starr zu blicken, und um deinen berühmten Schlängelmund ließ eine Qual sich nieder. Dies alles sahen wir, deine Herzchen, und besprachen es weinend. Nun aber ist deine Ermüdung auf den Punkt gekommen, daß du dich niederlegst, ohne zu essen und zu trinken, und die Krankheit spottet der Kunst der Ärzte. Wahrhaftig, als wir davon hörten, wußten wir nicht mehr den Ort der Erde, wo wir uns befanden, so groß war unser Schrecken! Wir haben die Weisen vom Bücherhause, Te-Hor und Pete-Bastet, deine Ärzte, mit Fragen bestürmt, und sie antworteten, sie seien mit ihrer Kunst schon fast am Rande und näherten sich der Ratlosigkeit. Nur noch wenige Mittel wüßten sie, die etwa noch Wirkung versprächen, denn aller schon angewandten habe deine Ermüdung gespottet. Es müsse ein großer Kummer sein, der an dir nage und zehre, wie die Maus, die an der Wurzel des Baumes nagt, so daß er kränkelt. In Amuns Namen, Schatz, ist das wahr, und hast du einen nagenden Kummer? Nenne ihn uns, deinen Herzchen, ehe dir der verfluchte ans süße Leben geht!«
    »Gesetzt«,

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