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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Traumesmuster hatte sie ihre Anstalten getroffen, die Freundinnen zu belehren, und traumhaft war ihre Gewißheit, daß die Veranstaltung werde gelingen müssen. Sie fiel zusammen mit dem Höhepunkt der Bewirtung. Herrliche Früchte standen in blumengeschmückten Körben bereit: duftende Goldkugeln, die erquickenden Saft in Menge unter der filzigen Schale bargen, indische Blutzitronen, Chinaäpfel, höchst selten gereicht; und reizende Messerchen zum Schälen waren nebenher vorbereitet, mit eingelegten Blausteingriffen und hochpolierten Bronzeschneiden, denen die Hausfrau ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt hatte. Denn überaus scharf hatte sie sie wetzen und abziehen lassen – so scharf in der Tat, daß wohl noch nie in der Welt irgendwelche Messerchen es zu solcher Schärfe gebracht hatten. So dünn geschliffen und haarscharf waren die Dinger, daß leicht ein Mann sich den noch so drähtigen Bart hätte damit scheren mögen, – nur gegenwärtigste Achtsamkeit war ihm dabei zu empfehlen, denn vergaß er sich träumend nur einen Augenblick oder erzitterte, so war ihm der lästigste Schaden gewiß. Das war ein Schliff, der diesen Messerchen zuteil geworden, – gefährlich geradezu; man hatte das Gefühl, daß man nur in die Nähe der Schneide zu kommen brauchte mit der Fingerkuppe, und schon sprang das Blut hervor. – War das alles Vorbereitete? Durchaus nicht. Da war noch ein kostbarer Wein aus dem Hafen, kyprisch, von süßem Feuer, zum Nachtisch geeignet, der zu den Apfelsinen gereicht werden sollte; und die schönen Kelche aus gehämmertem Gold und aus zinnglasiertem, bemaltem Ton, die ihn umschließen würden, waren sogar das erste, was auf der Gastgeberin Wink von niedlichen Dienerinnen, welche nichts anhatten als bunte Gürtel um ihre Hüften, im Brunnenhof und im Pfeilersalon ausgeteilt wurde. Wer aber sollte den Inselwein in die Kelche schenken? Auch wieder die Niedlichen? Nein, damit, hatte die Wirtin geurteilt, würde weder solcher Bewirtung, noch den Bewirteten Ehre genug geschehen – anders hatte es Mut verfügt.
    Sie winkte wieder, und die goldenen Äpfel, die allerliebsten Messerchen wurden verteilt. Beides erregte entzücktes Gezwitscher: Man pries die Früchte, pries auch das zierliche Handgerät, nämlich seine Zierlichkeit eben, denn seiner Haupteigenschaft war man nicht kundig. Alle begannen sogleich mit dem Schälen, um zu dem süßen Fleisch zu gelangen; doch wurden ihre Augen gar bald vom Geschäfte abgelenkt und emporgezogen.
    Abermals hatte Mut-em-enet gewinkt, und wer auf dem Schauplatz erschien, war der Schenke des Weins; es war Joseph. Ja, ihn hatte die Liebende zu diesem Dienst bestellt und es ihm angesonnen als Herrin, selbst den Zypernwein unter den Freundinnen auszuschenken, ohne ihn in die Vorkehrungen einzuweihen, die sie sonst noch dazu getroffen, so daß er nicht wußte, zu welcher Belehrung er dienen sollte. Es hatte sie geschmerzt, das wissen wir wohl, ihn hinters Licht zu führen durch die Verhehlung und zweckhaft sein Bild zu mißbrauchen; aber gar zu sehr war es ihr darum zu tun, die Freundinnen zu belehren und ihnen ihr Herz zu erklären. Darum hatte sie es ihm angesonnen und, da er sich wieder einmal mit aller Rücksicht geweigert, ihr nahe beizuwohnen, zu ihm gesagt:
    »Willst du mir dann wenigstens, Osarsiph, den Gefallen tun und übermorgen bei meinem Damenfest selbst den Neunmalguten von Alaschia ausschenken, zum Zeichen seiner Güte, zum Zeichen ferner, daß du mich doch ein wenig liebst und auch zum Zeichen, daß ich etwas gelte in diesem Haus, da Der an seiner Spitze mir aufwartet und meinen Gästen?«
    »Selbstverständlich, Herrin«, hatte er geantwortet. »Das tue ich gern und will einschenken mit größtem Vergnügen, wenn es dir so gefällt. Denn mit Leib und Seele bin ich dir zu Diensten und zur Verfügung in jedem Betracht, ausgenommen in dem der Sünde.«
    So erschien denn nun Rahels Sohn, des Peteprê Jungmeier, unvermutet unter den schälenden Damen im Hof, in einem Feierkleide, weiß und fein, einen bunten mykenischen Weinkrug in seinem Arm, grüßte, spendete und begann, umherwandelnd die Kelche zu füllen. Alle Damen aber, sowohl die, welche ihn bei Gelegenheit schon gesehen, wie auch die, welche ihn noch nicht kannten, vergaßen bei seinem Anblick nicht nur ihre Hantierung, sondern auch sozusagen sich selbst, indem sie nichts anderes mehr wußten, als auf den Schenken zu schauen, worüber denn die tückischen Messerchen ihr Werk verrichteten und

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