Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
der Wiege gesungen worden, aber da zeigt sich des Herzens Vorurteilslosigkeit, es fragt nicht nach Rang und Stand. Er ist keines Gaufürsten Sohn und weder Offizier noch Geheimrat, sondern nur deines Mannes Hausverwalter, aber dir hat er den Sinn erweicht, das ist sein Rang und Titel, und daß er ein Ausländer ist, ein Jüngling von Asien, ein sogenannter Ebräer, das fügt der Sache noch eine pikante Note hinzu, es verleiht ihr Cachet. Wie wohl ist uns, Teuerste, und wie in tiefster Seele sind wir erleichtert, daß es weiter nichts auf sich hat mit deinem Kummer und deiner Ermüdung, als daß dir der Sinn steht nach diesem Schönen! Verzeih, wenn wir aufhören, für dich zu fürchten und anfangen, es für ihn zu tun; denn daß er möchte überschnappen vor Geehrtheit, das ist doch hier wohl der einzige Sorgengrund – sonst scheint die Sache uns einfach.«
»Ach«, schluchzte Mut, »wenn ihr wüßtet! Aber ihr wißt nicht, und ich habe gewußt, daß ihr noch lange nichts wissen und nichts verstehen würdet, auch da ich euch die Augen geöffnet. Denn keine Ahnung habt ihr, wie es mit diesem ist und was es auf sich hat mit dem Eifer des Gottes, dem er gehört und dessen Kranz er trägt, so daß er sich viel zu gut ist, mir, dem ägyptischen Weibe, das Blut zu stillen und seine Seele kein Ohr hat für all mein Rufen! Ach, wieviel besser, ihr Schwestern, doch tätet ihr, euch nicht um ihn zu sorgen von wegen übergroßer Geehrtheit, sondern all eure Sorge auf mich zu versammeln, die ich des Todes bin durch seine Gottessprödigkeit.«
Da bestürmten die Freundinnen sie denn um Näheres und Weiteres in Sachen dieser Sprödigkeit und wollten ihren Ohren nicht trauen, daß der Diener nicht vor Geehrtheit platze, sondern sich der Herrin verweigere. Die Blicke, die sie tauschten, zeigten wohl auch einige Bosheit an im Sinn der Vermutung, daß ihre Eni dem Schönen am Ende zu alt sei und er fromme Flausen mache, weil er keine Lust zu ihr habe; und manche schmeichelte sich, daß er zu ihr wohl mehr Lust haben würde; aber die aufrichtige Entrüstung über des Fremdknechtes Widerspenstigkeit herrschte vor in ihrer Stellungnahme, und Nes-ba-met besonders, die Oberin, griff hier mit Baßstimme ein und erklärte den Fall, von dieser Seite gesehen, für skandalös und unleidlich.
»Als Weib schon«, sagte sie, »Teuerste, bin ich auf deiner Seite und mache deinen Kummer zu meinem. Zudem aber ist nach meiner Ansicht die Sache politisch, eine Tempel- und Reichsangelegenheit, denn in der Weigerung dieses Rotzbuben (verzeih’, du liebst ihn, aber ich nenne ihn so aus ehrlichem Zorn, nicht, um dich in deinen Gefühlen zu kränken) – in seiner Sperrigkeit, dir den Tribut seiner Jugend zu zahlen, liegt ohne Zweifel eine geradezu reichsgefährdende Unbotmäßigkeit, die auf dasselbe hinausläuft, als wollte irgendein Stadt-Baal von Retenu oder Fenechierland sich wider Amun setzen und ihm die schuldige Abgabe verweigern, wogegen selbstverständlich sofort ein Strafzug müßte ausgerüstet werden, selbst wenn seine Kosten den Wert des Tributs überträfen, zur Wahrung von Amuns Ehre. In diesem Licht, meine Liebe, sehe ich deinen Kummer, und kaum nach Hause zurückgekehrt, werde ich mit meinem Gemahl, dem Vorsteher der Priester sämtlicher Götter von Ober- und Unterägypten, den krassen Fall dieses kenanitischen Aufruhrs besprechen und ihn befragen, welche Maßnahmen er für geeignet hält, der Unordnung zu steuern.«
Mit diesem Ergebnis löste, unter stärkstem Geplapper, die so berühmt gewordene und hier endlich nach ihrem wahren und wirklichen Verlauf erzählte Damengesellschaft sich auf, durch welche es Mut-em-enet hauptsächlich fertig brachte, ihre unselige Leidenschaft zum Stadtgespräch zu machen: ein Gelingen, über das sie sich zwischendurch, in lichteren Augenblicken, wohl plötzlich entsetzte, worin sie aber auch wieder, vermöge zunehmender Ausartung, ein trunkenes Genüge fand; denn die meisten Verliebten würden nicht glauben, daß ihrem Gefühl genügend Ehre geschähe, wenn nicht alle Welt, sei es auch selbst unter Spott und Hohn, sich damit beschäftigte: es muß an die große Glocke gehängt sein. Auch machten die Freundinnen ihr nun öfters Krankenvisiten, einzeln oder zu wenigen, um sich nach dem Stand ihres Kummers zu erkundigen, sie zu trösten und ihr Ratschläge zu geben, welche aber an den tatsächlichen, so ganz besonderen Umständen töricht vorbeigingen, so daß die Leidende nur die Achseln zu zucken und
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