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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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vor Versunkenheit, so daß ich mir überhaupt kein Schalobst mehr werde vorsetzen lassen dürfen, obgleich ich’s mit Leidenschaft esse, das hast du angerichtet, Schätzin, mit deiner unbedachten Regie!«
    »Ja, ja!« riefen alle Damen, sowohl die des Brunnenhofes als auch die des Pfeilersalons, welche bei Nes-ba-mets und Renenutets Ansprachen herübergekommen waren. »Ja, ja!« riefen sie durcheinander mit hoch und tiefgetönten Stimmen. »So ist es, so war es, die Rednerinnen haben es recht gesagt, fast blutig umgebracht hätten wir alle uns vor jäher Verwirrung durch das Bild dieses Schenken, und statt uns den Grund deiner Ermüdung zu nennen, wozu du uns eingeladen, hast du uns, Eni, diesen Possen gespielt!«
    Da aber erhob Mut-em-enet ihre Stimme zu voller Sangeskraft und rief: »Törinnen!« rief sie. »Nicht nur genannt, – gezeigt habe ich ihn euch, den Grund meiner tödlichen Ermüdung und all meines Elends! So habt doch auch Augen für mich, da ihr ganz Auge waret für ihn! Ihr habt ihn nur einige Pulsschläge lang gesehen und euch ein Leids getan in der Versunkenheit, so daß ihr alle noch blaß seht von der roten Not, in die euch sein Anblick gestürzt. Ich aber muß oder darf ihn sehen täglich und stündlich – was fang’ ich an in dieser immerwährenden Not? Ich frage euch: Wo soll ich hin? Denn dieser Knabe, ihr Blinden, die ich sehend machte vergebens, meines Gatten Hausvorsteher und Mundschenk, – er ist meine Not und mein Tod, er hat es mir angetan zum Sterben mit Aug’ und Mund, so daß ich, ihr Schwestern, um ihn nur mein rotes Blut verströme in Jammer und sterbe, wenn er mir’s nicht stillt. Denn ihr schnittet euch in die Finger nur bei seinem Bilde, mir aber hat die Liebe zu seiner Schönheit das Herz zerschnitten, so daß ich verblute!« – Also sang Mut mit brechender Stimme und fiel krankhaft schluchzend in ihren Sessel.
    Man kann sich die frauenfestliche Aufregung denken, in die diese Enthüllung den Chor der Freundinnen versetzte! Ganz ähnlich wie vordem schon Tabubu und Meh-en-wesecht verhielten sie sich zu der großen Neuigkeit, daß Mut sich in Liebesumständen befinde, und trieben es in großem Maßstabe mit der Heimgesuchten, wie jene beiden getan: umringten sie, streichelten sie und redeten in vielstimmigem Rührungsgeplapper zugleich beglückwünschend und bemitleidend auf sie ein. Die Blicke aber, die sie heimlich dabei tauschten, sowie die Worte, die sie einander zuraunten, bekundeten ganz anderes noch als zärtliche Teilnahme: nämlich boshafte Enttäuschung darüber, daß es weiter nichts sei und dieser ganze anspruchsvolle Kummer auf gewöhnliche Verliebtheit hinauslaufe in einen Knecht; stille Mißgunst dazu und allgemeine Eifersucht aufs Männliche, vor allem aber schadenfrohe Genugtuung, daß es Mut, die Stolze und Reine, die mondkeusche Amunsbraut, auf ihre älteren Tage noch so getroffen hatte und hatte sie heimgesucht auf gewöhnlichste Art, daß sie nach einem hübschen Diener schmachten mußte und es nicht einmal für sich zu behalten verstand, sondern hilflos ihre Herabsetzung aufs gewöhnliche Damenmaß allen preisgab und jammerte: »Wo soll ich hin?« Das schmeichelte den Freundinnen, wenn es ihnen auch nicht entging, daß aus der Preisgabe und der öffentlichen Verkündigung immer noch der alte Dünkel sprach, welcher das ganz Gewöhnliche, da es nun auch Muts Fall geworden, als ein Vorkommnis sondergleichen und als welterschütternde Affäre betrachtet wissen wollte, – was die Freundinnen auch wieder ärgerte.
    Aber drückte auch alles dieses sich nebenher aus in den Wechselblicken der Damen, so war ihre Festesfreude an der Sensation und dem schönen Gesellschaftsskandal doch groß genug, sie zu wahrer Herzensteilnahme an der Heimsuchung der Schwester zu befähigen und zum weiblichen Mitgefühl, so daß sie sich um sie drängten, sie mit den Armen umfingen, sie tröstend feierten in plapperndem Wortschwall und den Jüngling glücklich priesen, dem es vergönnt gewesen, solche Gefühle im Busen seiner Herrin zu erwecken.
    »Ja, süße Eni«, riefen sie, »du hast uns belehrt, und wir verstehen vollkommen, daß es keine Kleinigkeit ist für ein Frauenherz, jeden Tag einen solchen Gottesfratzen müssen sehen zu dürfen, – kein Wunder, daß endlich einmal auch du in Herzensumstände kamst! Der Glückspilz! Was keinem Manne gelungen durch so viele Jahre, das hat er ausgerichtet mit seiner Jugend und hat dir Heiligen den Sinn bewegt! Es ist ihm nicht an

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