Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
eigenen Geschmack, sondern es schlage dabei einfach die unverschämte Natur der Angerufenen und zur Gegenwart Gebrachten durch, eben der Herrin-Hündin, deren Dienst nicht anders als unflätig sein könne und deren Erzvetteltum von sich aus die notwendig niedrige Anstandshöhe der Handlung bestimme. Schließlich, meinte Tabubu, komme einem Begängnis, das dem Jünglingszwang gelte und eine bloß körperliche Gefügigmachung zur Liebe bezwecke, ein besonders feiner Ton ja auch nicht zu. –
Mut erbleichte und biß sich auf die Lippen bei diesen Worten, teils vor Gesittungsschrecken, teils auch vor Haß auf die Schlumpe, die ihr selbst den Jünglingszwang an- und aufgedrungen hatte und nun, da sie ihre Beteiligung zugestanden, ihr die Verächtlichkeit eines solchen Entschlusses beleidigend zu bedenken gab. Das ist eine sehr alte Erfahrung des Menschen, daß seine Verführer, nämlich diejenigen, die ihn unter seinen Rang hinabführen, ihn, wenn sie ihn glücklich unten haben, auch noch durch die Schnödigkeit, mit der sie nun plötzlich von der neuen, noch ungewohnten Stufe sprechen, erschrecken und verhöhnen. Der Stolz verlangt dann, daß man sich seine Angst und Verwirrung nicht merken läßt, sondern antwortet: »Möge es hier, wie immer, zugehen – ich wußte, was ich tat, als ich dir zu folgen beschloß.« Und so ungefähr äußerte sich auch Mut, indem sie trotzig zu dem ihr ursprünglich ganz fremden Entschlusse stand, den Geliebten durch Zauber zu kirren.
Sie mußte sich noch einige Tage gedulden: erstens, weil die Schwarzpriesterin Vorbereitungen zu treffen hatte und nicht alle Ingredienzien gleich zur Hand waren, zu welchen nicht nur unheimliche und nicht von heut auf morgen bereitzustellende Dinge, wie das Steuer eines gescheiterten Schiffes, Galgenholz, faulendes Fleisch, diese und jene Gliedmaße eines getöteten Übeltäters gehörten, sondern vor allem auch etwas Haar vom Haupte Josephs, das Tabubu sich erst mit List und Bestechung aus des Hauses Barbierstube verschaffen mußte; zweitens aber, weil man das Rundwerden des Mondes abwarten mußte, um unter der Vollwirkung dieses zweideutigen, in seinem Sonnenverhältnis weiblichen, seiner Erdbeziehung aber männlichen Gestirnes, das kraft dieses Doppelsinns eine gewisse Einheit des Weltalls verbürgt und zum Dolmetsch zwischen Sterblichen und Unsterblichen taugt, desto sicherer und aussichtsreicher zu laborieren. Teilnehmen sollten an dem Gewaltakt außer Tabubu als Opferpriesterin und der Herrin Mut als Klientin noch ein Mohrenmädchen als dienende Person und die Kebse Meh-en-wesecht als Beisitzerin. Zum Schauplatz war das flache Dach des Frauenhauses bestimmt.
Gefürchtet oder ersehnt oder auch furchtsam ersehnt in ungeduldiger Scham – ein jeder Tag kommt einmal heran und wird zum Lebenstage, indem er bringt, was bevorgestanden. So auch der volle Tag von Mut-em-inets hoffnungsreicher Herabwürdigung, da sie aus bitterer Not ihre Stufe verriet und sich aufs Unwürdige einließ. Denn da die Stunden des Tages abgewartet waren, wie vorher die Tage und eine nach der anderen niedergerungen; als die Sonne geschwunden, ihr Nachruhm verblichen war, die Erde sich in Dunkel gehüllt und der Mond in unglaublicher Größe sich über die Wüste erhoben hatte, eintretend mit seinem geliehenen Schein für das stolze Eigenlicht, das geschieden, ablösend den prallen Tag mit dem zweifelhaften Weben seiner bleichen Schmerzensmagie; als er, sich langsam verkleinernd zur Höhe der Welt emporgeschwebt war, das Leben sich zur Ruhe gelegt hatte und auch im Hause Potiphars alles mit hochgezogenen Knien und friedsamen Mienen an den Brüsten des Schlafes sog, – da war es so weit, daß die vier Frauen, die allein wach geblieben waren, und Weiblich-Geheimes vorhatten für diese Nacht, sich auf dem Dache zusammenfinden mochten, wo Tabubu mit ihrer Gehilfin schon alles zum Opfer bereit gemacht hatte.
Mut-em-inet, ihren weißen Mantel um die Schultern und einen brennenden Fackelstock in der Hand, eilte so geschwind die Treppen des Hauses, die, welche vom Brunnenhof zum niedrigen Oberstock, und die engere dann, die zum Dache führte, hinan, daß die Nebenfrau Meh, ebenfalls eine weißleuchtende Fackel tragend, ihr kaum folgen konnte. Schon gleich als sie ihr Bettzimmer verlassen, hatte Eni zu laufen begonnen, den Feuerstab über den Kopf erhoben und diesen zurückgeworfen, mit starren Augen und offenem Munde, indem sie mit der Rechten ihr Kleid raffte.
»Was rennst du,
Weitere Kostenlose Bücher