Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Geliebten Seele verzichtet hatte und froh sein wollte, wenn sie nur seinen Körper, eine warme Leiche also, in Armen halten würde – oder, wenn nicht froh, so doch traurig gesättigt; denn durch Zauberbann und Behexung ist selbstverständlich nur der Körper und Leichnam zu kirren und in jemandes Arme zu liefern, nicht auch die Seele, und ein hoher Grad von Trostlosigkeit ist nötig, um sich mit jenem zu trösten und mit dem Gedanken, daß es bei der Liebessättigung auf den Leib ja vornehmlich ankommt und man der Seele in Gottes Namen immer noch leichter dabei entraten mag, als umgekehrt jenes, möge es auch eine traurige Art von Sättigung sein, die der Leichnam gewährt.
Daß Mut-em-enet schließlich den tiefstehenden Vorschlägen der Gummiesserin zustimmte und sich bereit fand, mit ihr zu hexen, hing übrigens auch mit der Verfassung ihres eigenen Körpers, seiner Hexenhaftigkeit zusammen, deren sie sich, wie wir sahen, durchaus bewußt war, und durch deren auffallende Merkmale sie sich als zunftmäßig geprägt erschien und geradezu aufgefordert fand, solcher Beschaffenheit durch Handlungen Rechnung zu tragen. Man darf nicht vergessen, daß ihr neuer Körper ein Erzeugnis und eine Ausbildung der Liebe war, das heißt: einer leidvoll begehrenden Steigerung von Muts Weiblichkeit; wie denn im allgemeinen das Hexenhafte nichts anderes ist, als übersteigerte und unerlaubt reizend auf die Spitze getriebene Weiblichkeit; woraus denn auch nicht nur folgt, daß Hexerei immer eine vorzüglich, ja ausschließlich weibliche Angelegenheit und Verrichtung war und männliche Hexenmeister kaum vorkommen – sondern naturgemäß auch noch dies, daß immer die Liebe dabei eine hervorragende Rolle spielte, von jeher im Mittelpunkt alles hexerischen Betreibens stand, und daß der Liebeszauber recht eigentlich als der Inbegriff aller Magie, als ihr natürlicher Vorzugsgegenstand anzusprechen ist.
Der leicht vettelhafte Einschlag in Muts Körperlichkeit, den wir ebenfalls, mit gebotener Zartheit, feststellen mußten, mochte dazu beitragen, daß sie sich gestimmt und gewissermaßen bestimmt fühlte, in die Hexenpraxis einzutreten und Tabubu’n zu erlauben, daß sie die bedenkliche Opfer- und Zauberbehandlung für sie ins Werk setzte; denn das Gotteswesen, dem diese gelten sollte, war nach den Angaben der Negerin die Vettelhaftigkeit in Person, eine göttliche Vettel und Vettelgöttin, in welcher man die höhere Zusammenfassung und Verwirklichung aller abstoßenden Vorstellungen zu sehen hatte, die sich mit dem Vettelnamen nur irgend verbinden, ein Scheusal von schmutzigsten Gewohnheiten, die Erzvettel. Solche Gottheiten gibt es und muß es geben, denn die Welt hat Seiten, welche, von Ekel und Blutschmutz starrend und zur Vergöttlichung scheinbar wenig geeignet, dennoch so gut wie die gewinnenderen der ewigen Repräsentation und Vorsteherschaft, der geistigen Verkörperung, sozusagen, oder der persönlichen Vergeistigung bedürfen; und so kommt es, daß Name und Natur des Göttlichen ins Scheusälige eingehen und Hündin und Herrin eins werden, da es sich ja um die Erzhündin handelt, welcher eben als solcher der Herrinnencharakter wesentlich zugehört – wie denn Tabubu auch tatsächlich von dem Inbegriff schmutziger Liederlichkeit, den sie zu Hilfe zu rufen gedachte, als von »der gnädigen Frau Hündin« sprach.
Das schwarze Weib glaubte Mut darauf vorbereiten zu sollen, daß Stil und Eigenart der geplanten Veranstaltung aus den gesellschaftlichen Gewohnheiten der großen Dame herausfallen würden; sie entschuldigte sich im voraus bei ihrer Feinheit deswegen und bat sie, sich für diesmal um der Sache und des Zweckes willen mit dem gemeinen Ton abzufinden, der nun einmal dabei herrschend sein müsse, weil nämlich die »gnädige Frau Hündin« einen anderen nicht kenne und verstehe und ohne Unverschämtheit der Redeweise kein Auskommen mit ihr sei. Es gehe weder sehr sauber zu bei der Handlung, kündigte sie vorbauend an – denn die Ingredienzien seien zum Teil sehr unappetitlich –, noch könne es fehlen, daß geschimpft und geprahlt werde dabei; die Herrin möge gefaßt darauf sein und im gegebenen Augenblick nicht Anstoß daran nehmen oder, wenn sie es täte, es sich doch nicht merken zu lassen; denn dadurch unterscheide sich so ein Zwangsakt eben von dem Gottesdienst, den sie gewohnt sei, daß es gewaltsam, überheblich und schrecklich dabei zugehe: nicht einmal vorsätzlich von seiten des Menschen und nach seinem
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